LUA-Notizen 2/2023
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LUA-Notizen

LUA-Notizen 2/2023

In diesem Newsletter

■ Editorial der Umweltanwältin

■ Verfahrensbeschleunigung in der Naturschutzpraxis

■ Doppelgleisigkeiten - Dreifachgleisigkeiten - Mehrfachgleisigkeiten: Zu den unterschiedlichen Aufgaben und Rollen von Behörde, Sachverständigen und Parteien im Verwaltungsverfahren

■ Revision der Biotopkartierung - Lebensräume in Gefahr

■ Streit um Trocken- und Magerstandorte gefährdet letzte Blumenwiesen, Schmetterlinge und den Schutz von Wildbienen

■ Zum gesetzlichen Schutz, der Verfassung und Erkennbarkeit von Trocken- und Magerstandorten

■ Zu den Öffentlichen Interessen und deren Abwägung – geplante Änderungen

Editorial der Umweltanwältin

(c) Gishild Schaufler, Umweltanwältin

Kommentar zum vergangenen Wahlkampf und zum neuen Regierungsprogramm

Zwar ist der Landtags-Wahlkampf endlich vorbei und eine neue Landesregierung gebildet. Aber aufgrund der vielen Falschbehauptungen, mit denen sich die LUA in den vergangenen Monaten des Wahlkampfes konfrontiert sah, mit denen versucht wurde, Empörung über die LUA zu erzeugen, sie als Verhinderer, Verzögerer, überflüssig und schuld an den langen Verfahrensdauern darzustellen, ist es immer noch wichtig, einiges klarzustellen.

Dabei wird vorausgeschickt, dass die LUA überparteilich, politisch weisungsfrei und ihre Mitarbeiter:innen auch keiner politischen Partei angehören. Dies ist zum einen wichtig, um für alle Menschen, Parteien, Gemeinden usw. gleichermaßen objektiv arbeiten zu können und zum anderen, um langfristige Entscheidungen, basierend auf Sach- und Fachkompetenzen, im Sinne unserer Kinder und Enkelkinder, vertreten zu können. Denn im Gegensatz dazu ist es in der Politik oft schwierig, über kurzfristige Lösungen hinaus unpopuläre Entscheidungen zu treffen, weil die berechtigte Angst besteht, dafür vom Wähler „gestraft“ zu werden. Die Politik handelt so, weil sie dafür gewählt wird und die Bevölkerung hört natürlich lieber Angenehmes. Doch die Realität ist unangenehm und wir können die Probleme nur lösen, indem wir sie endlich annehmen statt zu verdrängen und nicht die Schuld bei Anderen suchen.

Die im Wahlkampf vielseits erfolgten Vorwürfe gegen die LUA können in der Theorie ganz einfach mit Fakten und Statistik widerlegt werden (siehe Tätigkeitsbericht). Zum Beispiel beteiligt sich die LUA nach einer Grobprüfung von 800 Verfahren pro Jahr, in denen sie nach dem Gesetz Parteistellung hätte, in 400 Verfahren eingehender und erhebt davon nur in 15 Fällen Beschwerde an das LVwG sowie nur vereinzelt Revision an den VwGH. Zudem hat die LUA als Verfahrenspartei nur kurze Fristen für Stellungnahmen und unterliegt Präklusionsbestimmungen, nach denen sie Einwendungen später nicht mehr einbringen darf. Die Ressourcen der LUA sind sehr begrenzt, denn für den großen und vielfältigen Aufgabenbereich im gesamten Bundesland Salzburg stehen insgesamt nur fünf vollzeitäquivalente Mitarbeiter:innen (1 Umweltanwältin, 3 wissenschaftliche Mitarbeiter:innen und 1 Sekretärin) zur Verfügung.

Aber auch der Naturschutz generell wurde immer wieder als zu streng und überreguliert dargestellt, weshalb keine Entwicklung im Land mehr möglich sei. Demgegenüber stehen viele erschreckende Zahlen über den schlechten Zustand von Natur, Arten und Lebensräumen, in die weiter eingegriffen wird, deren Funktionen aber wichtig sind für das menschliche Überleben, den Klimaschutz und die Klimawandelanpassung (siehe dazu den offenen Brief von Umweltorganisationen, der Wissenschaft und den Umweltanwälten).

Die sachliche Diskussion zu diesen Fakten gestaltet sich aber in der Praxis immer schwieriger. Denn durch das ständige Wiederholen werden die falschen Behauptungen zwar nicht wahr, die andauernde Weiterverbreitung von Fehlinformationen führt aber häufig zu einer verzerrten Wahrnehmung. Auch in den Medien wird am liebsten über die besonders konfliktreichen, emotionalen oder die scheinbar „kuriosen“ Fälle berichtet, die jedoch bei 800 Verfahren pro Jahr lediglich die große Ausnahme darstellen.

Diesen Fehlinformationen ständig zu entgegnen, kostet viel Mühe, insbesondere wenn die Ressourcen dafür fehlen und es hält von der eigentlichen Arbeit, der inhaltlichen Vertretung der Natur, ab. Denn wenn wir ständig unsere Aufgabe an sich verteidigen müssen, bleibt weniger Zeit und Kraft, die Natur zu verteidigen. Doch weil die Natur ohne Vertreterin ihre Rechte nicht durchsetzen kann, ist es notwendig, auch die Aufgabe der Vertreterin an sich zu verteidigen.

Deshalb beleuchten wir auch in diesem Newsletter ein paar Punkte des neuen Regierungsprogramms zu Naturschutz und LUA (Verfahrensbeschleunigung, Doppelgleisigkeiten, Biotopkartierung, Mager- und Trockenstandorte sowie öffentliches Interesse).

Auch die Debatte um das Nature Restoration Law, für das – zwar in abgeschwächter Form – im EU-Parlament am 12. Juli doch noch gestimmt wurde, zeigte wieder das Dilemma zwischen Parteipolitik mit kurzfristigen Versprechungen um Wähler nicht zu verlieren und langfristigen Lösungen. Im Gegensatz dazu steht, dass ein Großteil der Bevölkerung, wie Umfragen zeigen, grundsätzlich hinter dem Naturschutz steht und seine Wichtigkeit anerkennt. Zu Problemen kommt es ja meist erst dann, wenn jemand selbst bzw. persönlich betroffen ist. Einschränkungen werden jedoch auch leichter akzeptiert, wenn sie für alle durchsetzbar sind und mittelfristig Erfolge bringen, die zeigen, dass eine langfristig positive Entwicklung für Natur und Mensch möglich ist. Auch für uns sind es schöne Erlebnisse, wenn ursprünglich in der Verhandlung skeptisch betrachtete Naturschutzmaßnahmen zur Förderung von Lebensräumen oder Tierarten von Antragstellern im Nachhinein als Bereicherung erkannt werden!

Im Namen des gesamten LUA-Teams wünsche ich einen schönen Sommer!

Gishild Schaufler

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Verfahrensbeschleunigung in der Naturschutzpraxis

Foto: Gishild Schaufler

Das Regierungsübereinkommen spricht auch gewünschte Änderungen zur Verfahrensbeschleunigung in Naturschutzverfahren an. Die Forderung nach schnelleren Verfahren ist so alt wie Bewilligungsverfahren selbst und sicherlich nicht auf das Naturschutzgesetz beschränkt, auch im Wasserrecht, Forst- und Jagdrecht oder bei AWG-Verfahren, um nur einige zu nennen, sind entsprechende Beschwerden bekannt. Die Erfahrung der LUA aus zahlreichen Verfahren zeigt aber immer wieder, dass der ausschlaggebende beschränkende Faktor für die Verfahrensdauer vielfach die Kapazitäten der Behörden und Sachverständigen ist. In den letzten Jahrzehnten wurde hier immer wieder beim Personal gespart. Vielfach wurden den im Naturschutz tätigen Personen auch zusätzliche Aufgabenbereiche wie z.B. der Katastrophenschutz aufgebürdet.

Insbesondere während der Coronapandemie war ein Großteil der Beamten für die Ausstellung von Bescheiden, zur Kontaktverfolgung etc. eingeteilt. Dass dabei andere Inhalte liegenblieben und sich ein gewisser „Rückstau“ an Verfahren angehäuft hat, sollte somit nachvollziehbar sein. Auch aufgrund der Kontaktvermeidung kam es zu komplizierteren Verfahrensabläufen. Denn in dieser Zeit gab es kaum Naturschutzverhandlungen vor Ort. Häufig waren Sachverständige allein unterwegs, um Standorte von Vorhaben zu besichtigen. Die Gutachten wurden anschließend im Büro oder Homeoffice verfasst. Damit gingen aber die in vielen Fällen sehr wertvollen Diskussionen und der gegenseitige Austausch unter Einschreitern, Projektanten, Behörde, Sachverständigen und LUA vor Ort verloren. Offene Fragen wurden vermehrt in schriftlicher Form abgehandelt, die ansonsten im direkten Kontakt gelöst worden wären.

Für eine wirksame Verfahrensbeschleunigung stellt sich daher die ausreichende personelle Ausstattung bei Behörden und Sachverständigen, aber auch bei der LUA, als Grundvoraussetzung dar.

Fristsetzungen sind bereits derzeit im Naturschutzgesetz oder auch im AVG vorgesehen. Beispielsweise betragen die Fristen für Stellungnahmen der LUA in der Regel zwei Wochen.

Eine Verfahrensbeschleunigung durch die Einschränkung von Nachforderungen ist schwer absehbar, da auf den jeweiligen Einzelfall abgestellt werden muss, beispielsweise, wenn bei einer Forststraßenverhandlung ein labiler Untergrund festgestellt wird und eine Beurteilung der Standfestigkeit durch einen Geologen oder die WLV (Wildbach- und Lawinenverbauung) erforderlich ist.

Generell wäre die Festlegung von Mindeststandards für Projekte sinnvoll. Dies würde Antragstellern und Projektanten die Ausarbeitung der erforderlichen Einreichunterlagen erleichtern. Vielfach hat sich gezeigt, dass nicht der Umfang eines Projekts, sondern dessen Inhalt ausschlaggebend ist, um eine Beurteilung im Verfahren maßgeblich zu erleichtern. Hier ließen sich oft wenig aussagekräftige Darstellungen einsparen.

Eine wichtige Vorinformation sowohl für Antragsteller als auch Sachverständige sind aber jedenfalls aktuelle Daten der Biotopkartierung oder auch Vorkommen geschützter Arten. Wenn diese erst im Zuge der Verhandlung vor Ort festgestellt werden, sind möglicherweise Umplanungen erforderlich. Dies ist in der Regel mit Zeitaufwand verbunden. Insbesondere bei größeren Projekten oder besonderen Schutzgütern hat sich gezeigt, dass Vorabstimmungen mit Naturschutz und LUA helfen können, Zeit und Geld zu sparen. (sw)

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Doppelgleisigkeiten - Dreifachgleisigkeiten - Mehrfachgleisigkeiten: Zu den unterschiedlichen Aufgaben und Rollen von Behörde, Sachverständigen und Parteien im Verwaltungsverfahren

Foto: Gishild Schaufler

Im Wahlkampf war bei den Themen Naturschutz und LUA immer wieder die Rede von „Doppel-, Dreifach- und Mehrfachgleisigkeiten“, die beseitigt werden müssten, um Verfahren zu beschleunigen. Die mit Recht kritisierten langen Verfahrensdauern wurden somit immer wieder ohne Rücksicht auf Fakten und Statistik auf die LUA geschoben. Entgegen dieser Behauptungen hat die LUA aber ohnedies meist nur 2-Wochen-Fristen für Stellungnahmen und Präklusionsbestimmungen für ihre Einwendungen (siehe dazu auch vorherigen Artikel zur Verfahrensbeschleunigung) und zum anderen ergreift die LUA nur in weniger als 2% der Verfahren, in denen sie das Recht auf Parteistellung hat, ein Rechtsmittel an die Verwaltungsgerichte (siehe LUA-Notizen 4/2022 über die Arbeit der LUA). Auch im Regierungsprogramm findet sich nun wieder die allgemeine Ansage der „Beseitigung von Doppelgleisigkeiten“, die jedoch nicht näher beschrieben werden.

Tatsächlich ist das (Schein-)Argument bzw. der „Vorwurf der Doppelgleisigkeit“ und „zu viel Bürokratie“ viel älter als der letzte Landtags-Wahlkampf 2023. Diese Behauptungen kommen immer wieder als Vorwand, um die gesetzliche Aufgabe der LUA zu desavouieren und ihre Rechte in Frage zu stellen. Bereits 1987 waren Handelskammer und Landwirtschaftskammer gegen eine Institutionalisierung aufgetreten und 1995 wurde abermals die Verursachung von bürokratischem Aufwand beklagt (siehe Editorial 1/2023). Aber auch 2018 unterstellten Wirtschaftskammer und Landwirtschaftskammer in ihren Stellungnahmen zur NSchG-Novelle 2019 der LUA, sie bewirke nur lange Verfahrensdauern und Verwaltungsaufwand (siehe Editorial 3/2019). Im Wahlkampf 2023 stach unter den Wirtschaftsvertretungen besonders die Industriellenvereinigung mit ihrer Forderung hervor, die LUA abzuschaffen, weil durch die Aarhus-Konvention die Öffentlichkeit ohnedies in Naturschutzverfahren vertreten sei.

Ohne konkrete Festlegung kann nur aus verschiedenen Andeutungen gefolgert werden, was mit dem ständig wiederholten Slogan der „Beseitigung von Doppelgleisigkeiten“ aktuell gemeint ist. Zum einen kristallisiert sich dabei die Behauptung des unnötigen „Nebeneinanders von der Behörde mit den Amtssachverständigen (ASV) und der LUA“ heraus und andererseits wird das Nebeneinanderbestehen von Beteiligungsrechten der NGOs und Parteirechten der LUA gemeint. Dabei ignoriert werden jedoch 1.) in Bezug auf Behörde, ASV & LUA die unterschiedlichen Aufgaben und Rollen, die nicht von ein- und derselben Person bzw. Institution ausgeübt werden können, ohne dabei in einen unauflösbaren Rollenkonflikt zu geraten sowie 2.) in Bezug auf NGOs & LUA die unterschiedlichen Möglichkeiten, Rechte und Pflichten zur Aufgabenerfüllung, auf die hier näher eingegangen wird.

1. Zu Behörde mit ASV & LUA als Partei

Die LUA wurde in den 1980er Jahren eingerichtet, weil die politischen Kräfte es damals für sachlich und moralisch notwendig hielten, der sprach- und wehrlosen Natur eine Stimme zu verleihen. Denn es war bereits damals klar, dass die Natur im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik und weisungsgebundenen Verwaltungsbehörden eines besonderen ausgleichenden Schutzes bedarf. Die LUA sollte die Interessenvertretung bzw. Lobby für Natur und Umwelt übernehmen, die Rolle des Gegengewichts, frei von Einflussnahme, unabhängig und parteiisch für Natur und Umwelt.

Die LUA wurde als Stimme der Natur eingeführt um eine Art „Verfahrensgleichheit“ zwischen der Natur auf der einen Seite und der Wirtschaft auf der anderen Seite zu schaffen. Sie sollte als Instrument der Kontrolle und Beteiligung zu einer Ökologisierung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen beitragen [1]. Die Rolle als Anwältin soll die Prozesstrias im Naturschutzrecht herstellen, damit die Verwaltung Argumente, die für oder gegen einen Natureingriff sprechen, verfahrensmäßig besser abarbeiten kann. „Denn durch die Vertretung von Naturschutz- und Umweltinteressen in den Landesverfahren durch professionelle Umweltanwälte wird den Parteien, die zumeist aus wirtschaftlichen Interessen Umwelteingriffe realisieren wollen, ein Widerpart entgegengesetzt, der der Behörde einen Teil der amtswegig wahrzunehmenden Interessen abnimmt und so die Behörde viel stärker in die Position des unabhängigen „Judex“ setzt und sie damit aus dem Dilemma des Inquisitionsverfahrens herausführt“ [2].

Neben der Rolle des Antragstellers sind auch die Rollen von Behörde, ASV & LUA im Verfahren klar unterschiedliche und können auch nicht von ein- und derselben Person bzw. Institution sachgerecht erfüllt werden. Auch sonst wird z.B. seit langem (zum Glück) die Gewaltentrennung nicht mehr in Frage gestellt sowie, dass der Richter nicht gleichzeitig auch die Aufgabe der Staatsanwaltschaft übernehmen kann, oder dass eine funktionierende Sozialpartnerschaft sowohl eine Arbeitnehmer- als auch eine Arbeitgebervertretung braucht, usw.

Eine klare Trennung der Rollen zur Wahrnehmung unterschiedlicher Aufgaben ist eine sinnvolle Errungenschaft und unabdingbar, aus einem sonst unauflösbaren Rollenkonflikt herauszutreten und zu einer auf den gegebenen rechtlichen Grundlagen ausgeglichenen Entscheidung zu gelangen. Denn die Behörde muss über den Antrag eines Projektwerbers aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen entscheiden und damit das geltende Recht anwenden. Zur Beantwortung der fachspezifischen Fragen hat die Behörde einen Sachverständigen beizuziehen. Dieser ist in der fachlichen Begutachtung frei, aber an die von der Behörde vorgegebenen Fragen und den beauftragten Umfang gebunden. Auch in Rechtsfragen darf er sich nicht „einmischen“ und bei Übergehen seines Gutachtens durch die Behörde hat er keine ausreichenden Durchsetzungsmöglichkeiten.

Die LUA hingegen ist ganz klar nicht Behörde, sondern Partei. Die Aufgabe ihrer Parteistellung in Naturschutzverfahren liegt in der Vertretung der Interessen der Natur. Denn auf der einen Seite der Behörde steht der Antragsteller als Partei im Verfahren, der seine eigenen Projektinteressen (meist wirtschaftlicher Natur) vertritt und auf der anderen Seite steht die LUA mit ihrer Aufgabe, der stummen Natur eine Stimme zu verleihen und damit zu vertreten, weil womöglich in ihre Rechte eingegriffen wird. Dabei handelt es sich um eine öffentliche Aufgabe bzw. ein öffentliches Interesse, da die Erhaltung der Natur und Einhaltung der Gesetze zu ihrem Schutz der Erhaltung der menschlichen Lebensgrundlage und somit dem Allgemeinwohl dient. Eine Abschaffung der Verfahrensrechte der LUA als Anwältin der Natur käme daher einer Entrechtung der Natur gleich, weil sie sich nicht selbst vertreten kann.

2. Zu NGOs & LUA

Die seit langem notwendige, aber minimale Umsetzung der Aarhus-Konvention wird nun auch immer wieder als Argument missbraucht, die Verfahrensrechte der LUA als überflüssig darzustellen. Doch können NGOs die LUAs nicht ersetzen (siehe Leistungsspektrum der Umweltanwaltschaften Österreichs).

Denn bei der durch die LUAs institutionalisierten Vertretung der Natur handelt es sich um eine öffentliche Aufgabe, für die der Staat eine große Verantwortung hat. Die Zuerkennung von Rechten ist für die Öffentlichkeit extrem wichtig, doch erfolgt der Großteil der Arbeit der regionalen NGOs auf Basis ehrenamtlicher Tätigkeit und unterliegt jeweils eigenen Zielsetzungen. Eine konsequente Teilnahme an regional jährlich hunderten Verfahren, ohne fachliche und rechtliche Hilfestellung kann daher nicht funktionieren und auch nicht durch die Dachverbände aufgefangen werden. Die LUAs hingegen können das ganze Jahr hindurch alle wichtigen Verfahren abdecken und die Interessen der Natur frei von Weisungen und überparteilich vertreten. Nur diese konsequente und konstruktive Teilnahme, auch an vielen „kleinen“ Naturschutzverfahren – die durchaus große Auswirkungen haben können – sichert die hohe fachliche Qualität der Verfahren und sorgt für Kontinuität und Sachlichkeit. Eine Beschneidung der Verfahrensrechte der LUA führt daher zwingend zu weniger Schutz für die Natur.

Aus der Verfahrensstatistik geht ebenfalls hervor, dass die NGOs diese Aufgaben aufgrund begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen, fehlender Erfahrung sowie auch rechtlicher Beschränkungen nicht ersetzen können, denn von den Beschwerdeverfahren der LUA beim Landesverwaltungsgericht waren sie nur in weniger als 10% beteiligt und hier zusätzlich noch auf wenige, ausschließlich EU-rechtliche Tatbestände beschränkt.

Deshalb wäre es ein großer Rückschritt, die Kompetenzen der seit Jahrzehnten institutionalisierten Vertretung von Umwelt und Natur zu beschneiden, die Verantwortung an NGOs (Nichtregierungsorganisationen) auszulagern und die Vertretung der Natur somit Vereinen, Privatinitiativen, Ehrenamt, Freiwilligkeit und Zufall zu überlassen anstatt die LUAs in ihren kontinuierlichen Anstrengungen gegen Natur- und Umweltzerstörung, Landschaftsverbrauch, Artensterben und Verlust der biologischen Vielfalt und damit der Lebensgrundlage künftiger Generationen, zu stärken und unterstützen. (gs)

Literatur:

[1] Karin Hofer, 1997: Eine institutionalisierte Stimme der Natur? Die Salzburger Landesumweltanwaltschaft im Spannungsfeld zwischen Naturschutz, wirtschaftlichen Interessen und politischen Konflikten. In Herbert Dachs & Roland Floimair (Hrsg.): Salzburger Jahrbuch für Politik 1997, Schriftenreihe des Landespressebüros, Serie „Sonderpublikationen“, Nr. 135, Residenz Verlag, Salzburg, S. 50-67.

[2] Karl Weber, 2007: Die Umweltanwälte und Umweltanwaltschaften der österreichischen Bundesländer: Eine rechtliche und umweltpolitische Bilianz. In Herbert Dachs & Roland Floimair (Hrsg.): Salzburger Jahrbuch für Politik 2007, Schriftenreihe des Landespressebüros, Serie „Sonderpublikationen“, Nr. 180, Residenz Verlag, Salzburg, S. 102-120.

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Revision der Biotopkartierung - Lebensräume in Gefahr

Foto: Sabine Werner

Dem neuen Regierungsprogramm ist zu entnehmen, dass die Revision der Biotopkartierung umgesetzt werden soll, um Verfahren zu beschleunigen und Rechtssicherheit herstellen zu können.

Die Fortsetzung der seit 2016 stillliegenden Revision der Biotopkartierung wird von der LUA grundsätzlich begrüßt. Seit Jahren drängt die LUA auch mit dem Argument der Verfahrensvereinfachung und Rechtssicherheit auf die Fortführung der Biotopkartierung (siehe dazu LUA-Notizen 1/2022: Folgen der veralteten Biotopkartierung, 2/2020: Biotopzerstörungen während der Ausgangsbeschränkungen, 4/2019: Biotopkartierungs-Revision: Fortsetzung erwünscht!).

Allerdings ist es wichtig, sich dabei auf den Zweck zum Schutz der Natur zu konzentrieren und die Reibereien der Vergangenheit zu bewältigen anstatt sie weiter zu verschärfen. Denn es ist dringend notwendig, für den Naturschutz endlich ausreichend Ressourcen zur Verfügung zu stellen anstatt ihn als Sündenbock für alle möglichen Probleme zu verwenden. Schließlich geht es dabei um unsere Lebensgrundlage.

Deshalb muss sich der notwendige „vertretbare bürokratische und finanzielle Aufwand“ wie bei allen Investitionen öffentlicher Gelder an einer Kosten-Nutzen-Analyse auch für die Allgemeinheit orientieren. Leider wurde bei den so wichtigen Grundlagendaten, deren Erhebung bzw. Veröffentlichung im Bundesland Salzburg aus unterschiedlichen Gründen seit Jahren dringend erforderlich ist, immer an der falschen Stelle gespart. Denn für einen effektiven Schutz sind einerseits aktuelle Kartierungsdaten von immenser Bedeutung, andererseits muss auch die Qualität stimmen. Sonst sind die Daten wertlos und führen nur zu mehr Aufwand, Frustrationen und wenig Nutzen, wie sich in der Vergangenheit bereits gezeigt hat.

Zudem fanden nach wie vor auch von den bereits kartierten Gemeinden seit 2021 keine Veröffentlichungen mehr statt, sodass die bereits vor Jahren erhobenen Daten (Kartierung im Flachgau 2013-2017, Fertigstellung aufgrund von Qualitätsproblemen bis 2019/20 und im Tennengau 2017/18 mit Fertigstellung 2019) von sieben Gemeinden im Flachgau und elf Gemeinden im Tennengau trotz Verwendung öffentlicher Gelder bisher der Öffentlichkeit noch immer nicht zugänglich sind. Wenn die unveröffentlichten, beim Land vorliegenden Daten in einem Naturschutzverfahren verwendet werden sollen, braucht es dazu die vorherige Zustimmung des Grundeigentümers.

Leider werden die in den LUA-Notizen 1/2022 erwähnten Beispiele, in denen der Mangel an Daten bzw. Information aufgrund deren Nichterhebung bzw. Nichtveröffentlichung zu eigentlich vermeidbaren Problemen und Konflikten für alle Beteiligten führt, immer mehr. Denn viele Projektplanungen beginnen mit der im SAGISonline abrufbaren Kartierung. Wenn diese jedoch teilweise 25 Jahre alt ist, was auch vielen gar nicht bewusst ist, kommt es beim Augenschein vor Ort unweigerlich zu „bösen Überraschungen“ und damit verbundenen Schwierigkeiten, die sodann meist auf Kosten des Naturschutzes bzw. dessen Image gehen.

Besonders wichtig sind aktuelle Daten auch in der Raumordnung, denn ansonsten kommt es unwissentlich zu Baulandwidmungen in geschützten Bereichen, in denen die naturschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Bebauung gar nicht gegeben sind. Aktuelle Beispiele dafür sind der LUA in Bürmoos, Seekirchen und Zell am See bekannt, wo bereits ein paar der Biotope beeinträchtigt oder teilweise überbaut und somit unwiederbringlich verloren gegangen sind.

Gerade in der Zeit multipler Krisen (insb. der Klima- und Biodiversitätskrise) sind aktuelle Daten von enormer Wichtigkeit, nicht nur in einzelnen Verfahren, sondern auch bereits für strategische Planungen. Umso dringlicher ist eine qualitativ hochwertige Fortsetzung der Revision der Biotopkartierung, im Gegensatz zur angekündigten Herabsetzung des Schutzes von Trocken- und Magerstandorten (siehe dazu im folgenden Artikel), oder einer Anpassung der Kartierungshöhen.

Bei der angekündigten Anpassung der Kartierungshöhen ist die Festlegung der Seehöhe gemeint, bis zu der Biotope erfasst werden sollen. Aber gerade in den Tallagen sind bereits dramatisch viele dieser geschützten Lebensräume verschwunden. Aufgrund des Klimawandels wandern Pflanzen und Tiere nachweislich in höhere Lagen. Die Veränderung der Lebensbedingungen ist z.B. am Ansteigen der Waldgrenze erkennbar. Die Erwärmung hat auch zur Folge, dass die höher liegenden Flächen stärker und intensiver wirtschaftlich genutzt werden, wie bspw. die höher steigende Beweidung oder Silobewirtschaftung auf Almen belegt. Somit erhöhen Nutzungsdruck und Klimawandel zunehmend auch die Gefährdung unserer alpinen Lebensräume. Kritisch ist dies für jene spezialisierten Biotope und Arten, die von den Gipfellagen nicht weiter in die Höhe ausweichen können. Jene Lebensräume, die aufgrund angepasster Kartierungshöhen nicht erfasst werden, sind durch den jahrelangen Stillstand der Biotopkartierung und nun durch die drohende Herabsetzung ihres Schutzes bzw. die Nichterfassung in Gefahr.

Wie in der Vergangenheit zahlreiche Verfahren gezeigt haben, leistet eine aktuelle Biotopkartierung einen wesentlichen Beitrag zur Rechtssicherheit und Verfahrensbeschleunigung. Um auch zusätzlich dem wichtigen Zweck des Beitrags zur Erhaltung dieser Lebensräume als unsere Lebensgrundlage dienen zu können, darf daher der Schutz nicht herabgesetzt werden, zumal der Vorwand der Verfahrensbeschleunigung und Rechtssicherheit nicht zutrifft. Im Gegenteil, die seit sieben Jahren ausständige Biotopkartierung sollte daher endlich unter Beibehaltung des derzeitigen Schutzstatus weitergeführt werden. (gs)

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Streit um Trocken- und Magerstandorte gefährdet letzte Blumenwiesen, Schmetterlinge und den Schutz von Wildbienen

Foto: Verena Gfrerer

Ebenfalls in Bezug auf die Biotopkartierung (siehe dazu auch vorherigen Artikel) beinhaltet das Regierungsübereinkommen, dass bei den „Mager- und Trockenstandorten“ die „Erkennbarkeit geschützter Flächen ab 75 % Zeigerpflanzen festzulegen“ ist.

Wer die politischen Diskussionen um die Trocken- und Magerstandorte in den letzten Jahren mitverfolgt hat, erkennt sofort, dass damit die Herabsetzung des Schutzes dieser wichtigen Lebensräume gemeint ist (siehe dazu LUA-Notizen 2/2021: Verfassung gegen Biotopschutz? & Biotopschutz in Eigenverantwortung oder Systemversagen?, 1/2021: Das Verschwinden von Magerstandorten gefährdet die Biodiversität, 1/2019: Wenn Insekten nicht mehr brummen, die Wiesen verstummen …).

Der gesetzliche Schutz von Trocken- und Magerstandorten besteht seit 2007. Im Zuge der Revision der Biotopkartierung kamen aber Konflikte mit der Landwirtschaftskammer auf, weil viele dieser Biotope erstmalig erfasst wurden. Die Revision wurde daher 2016 zur Überarbeitung der Einstufungskriterien gestoppt. In der Folge gab es bereits 2019 Pläne, den gesetzlichen Schutz der Trocken- und Magerstandorte abzuschwächen, die damals zum Glück nicht umgesetzt wurden. Aber die für den effektiven Schutz so wichtige Biotopkartierung stand und steht weiter still.

Zur Fortsetzung einer dem Naturschutz zum Wohl der Allgemeinheit gerecht werdenden Biotopkartierung ist eine Versachlichung des Themas zwingend notwendig, denn beim Schutz der Magerstandorte geht es um den Schutz unzähliger Arten, u.a. vieler gefährdeter Schmetterlinge und Wildbienen, die wichtige Bestäuber und daher unerlässlich für unsere Lebensgrundlage und die der künftigen Generationen sind. Diese darf gerade in der aktuellen Zeit der multiplen Umweltkrise nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Denn nach ersten Einschätzungen, die während der Diskussionen im Jahr 2021 bekannt wurden, würden bei der geplanten Erhöhung auf 75% Zeigerarten bis zu 80% dieser für das Überleben von Schmetterlingen, Wildbienen und vielen anderen Tierarten unbedingt notwendigen Lebensräume ihren Schutz verlieren. Dies ist besonders dramatisch, denn

  1. sind in Österreich bereits über die Hälfte aller Tagfalterarten gefährdet und im Salzburger Alpenvorland ein Drittel aller Tagfalterarten bereits ausgestorben oder vom Aussterben bedroht [1, 2, 3] und
  2. ist der Schutz der Wildbienen in der Salzburger Pflanzen- und Tierarten-Schutzverordnung auf die geschützten Lebensräume beschränkt.

Deshalb entfällt zum einen der Schutz der für das Überleben von Schmetterlingen und Wildbienen besonders wichtigen Lebensräume und zusätzlich der Schutz der Wildbienen selbst, da er nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich an den Lebensraumschutz gebunden ist. Diese Abschwächung würde bedeuten, dass nur mehr rund ein Viertel davon übrigbliebe. Doch wir stecken bereits jetzt in einer Krise und haben nicht mehr so viele Flächen zur Verfügung, um damit sorglos umzugehen.

Die Wichtigkeit der Magerstandorte für den Erhalt der Arten ist jedenfalls fachlich eindeutig und unbestritten. Das Artensterben, der Rückgang von Insekten und Vögeln, sind bereits in aller Munde, jedoch wird die Dramatik der Situation hier offenbar weiterhin verkannt. In den letzten Jahrzehnten sind vor allem im Flachgau und auch in den Tallagen der anderen Gaue ein Großteil der Mager- und Trockenstandorte verschwunden. Diese Lebensräume sind aber die Hot Spots der Artenvielfalt, vor allem für Pflanzen und Insekten und daher auch die letzten Rückzuginseln, in denen ein Überleben dieser Arten noch möglich ist. Denn die modernen Vielschnittwiesen, in denen gerade noch Löwenzahn oder Hahnenfuß blühen, bieten weder für Blumen und Kräuter noch für Insekten eine Überlebenschance.

Vielfach sind die kläglichen Reste von Trocken- und Magerstandorten ohnedies nur noch in Hanglagen oder sehr unebenem Gelände erhalten geblieben. Und beinahe täglich verschwinden weitere Flächen, durch Überbauung oder Aufschüttung. Auch ist die Ursache für den Druck, unter dem die Landwirtschaft steht, weder der gesetzliche Naturschutz noch seine Vertreter. Deshalb ist es wichtig, endlich die wahren Ursachen des Problems anzugehen und die starren Abläufe und fehlgerichteten Fördersysteme zu ändern, die die Bauern in die Intensivierung zwingen oder zur Bewirtschaftungsaufgabe treiben.

Angesichts der mittlerweile vielfach dokumentierten Rückgänge vieler Arten, ist ein Erhalt der noch vorhandenen Trocken- und Magerstandorte als wichtige (Über-)Lebensräume für bereits selten gewordene Tiere und Pflanzen von immenser Bedeutung. Eine Herabsetzung des Schutzes von Magerstandorten stünde im Gegensatz zu sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen und wäre ein großer Fehler, der zu massiven Schäden im Ökosystem führen würde, die auch die Landwirtschaft und unsere Gesundheit betreffen. Deshalb spricht sich die LUA weiterhin ganz klar gegen eine Abschwächung des Biotopschutzes, für eine unverzügliche Fortsetzung der Kartierung sowie für eine angemessene Entlohnung der Bauern und für eine Versachlichung der Diskussion aus. (gs)

Literatur:

[1] Huemer P. 2016: Ausgefaltert – Der stille Tod der österreichischen Schmetterlinge, Weckruf für den Schutz der Biodiversität in Österreich. Blühendes Österreich und Global 2000 (Hrsg.), Wien

[2] Huemer P. und Gepp J. 2017: Ausgefaltert II im Burgenland, Niederösterreich, der Steiermark und Wien. Der stille Tod der österreichischen Schmetterlinge. Blühendes Österreich und Global 2000 (Hrsg.), Wien

[3] Land Salzburg, Abteilung 5 – Natur und Umweltschutz, Gewerbe 2021. Unsere Schmetterlinge. Artenvielfalt ist Lebensqualität. Link (abgerufen am 01.07.2023)

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Zum gesetzlichen Schutz, der Verfassung und Erkennbarkeit von Trocken- und Magerstandorten

Foto: Verena Gfrerer

Im Zuge der im vorherigen Artikel erwähnten politischen Diskussionen wurden zuletzt im Frühjahr 2021 die damals bereits vorhandenen Pläne zur Herabsetzung des Schutzes der Trocken- und Magerstandorte durch eine "offenkundige Verfassungswidrigkeit" gerechtfertigt. Die Argumentation lautete, dass eine Verfassungswidrigkeit gegeben wäre, wenn es zu keiner Änderung im Sinne einer Anhebung der Anzahl der für den Schutz notwendigen Deckung an Zeigerarten käme, weil Klagen beim VfGH durch betroffene Grundbesitzer angedroht worden wären.

Doch die Wichtigkeit von Trocken- und Magerstandorten für den Erhalt zahlreicher gefährdeter Tier- und Pflanzenarten, darunter Schmetterlinge, Wildbienen sowie viele Orchideen, Enziane oder die Feuerlilie, ist fachlich unbestritten. Zur Frage der Verfassungswidrigkeit holte die LUA daher eine Stellungnahme des Salzburger Univ.-Prof. für öffentliches Recht, Dr. Sebastian Schmid ein, der bestätigte, dass es sich bei der Festlegung einer höheren Anzahl an Zeigerarten um keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit handelt, sondern um eine politische Entscheidung, ob der Schutz wie bisher bleibt oder auf wenige, hochwertige Standorte reduziert wird, wie in unserer Presseaussendung im Mai 2021 zu lesen war.

Mittlerweile gab es zwei an das LVwG erhobene Beschwerden von Grundeigentümern gegen die Versagung von Aufschüttungen in geschützten Magerstandorten. Ziel der Grundeigentümer mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer war dabei, ein Normenprüfungsverfahren vor dem VfGH wegen der seit Jahren behaupteten Nichterkennbarkeit der Lebensräume für den Grundeigentümer zu erreichen. So wurde z.B. im ersten Verfahren, in dem der gesetzliche Schutz dieser Lebensräume zudem außer Frage stand und die amtssachverständige Begutachtung auch gar nicht angefochten wurde, eingewendet, dass alle gemäß § 24 NSchG „ex lege“ geschützten Lebensräume für den Laien in der Natur erkennbar sein müssten und nicht „dem „Gestaltungseinfluss“ des Sachverständigen“ unterliegen dürften.

Das LVwG (Zahl: 405-1/858/1/15-2023) nahm jedoch Abstand von einem Normenprüfungsverfahren, weil die gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen keine Verfassungswidrigkeit erkennen ließen. Dies begründete das LVwG damit, dass die Feststellung, ob ein geschützter Lebensraum vorliegt oder nicht, anhand konkreter naturschutzfachlicher Bestimmungen von Pflanzen und Lebensraumtypen zu treffen ist. Eine solche erfolgt keinesfalls willkürlich, sondern ist der „Rahmen“ hierfür klar vorgegeben und definiert.

Die naturschutzfachliche Bestimmung von Pflanzen und Lebensraumtypen unterliegt grundsätzlich wissenschaftlichen Kriterien und im Speziellen den vom Land publizierten Kriterien der Biotopkartierung Salzburg, Biotoptypen-Steckbriefe, Günther NOWOTNY, Georg PFLUGBEIL, Evelyn BRUNNER, Oliver STÖHR und Helmut WITTMANN, Herausgegeben vom Amt der Salzburger Landesregierung, Abteilung 5 – Natur- und Umweltschutz, Gewerbe Referat für Naturschutzgrundlagen und Sachverständigendienst,  Salzburg, Februar 2022, überarbeitete Fassung basierend auf der Version vom Juni 2017. Eine darauf gestützte botanische Bestimmung unterliegt daher nicht dem Gestaltungseinfluss des Sachverständigen und erfolgt damit nicht willkürlich, sondern nach dem Stand des Wissens.

Da der Stand des Wissens aber nicht 1:1 in Gesetze gegossen werden kann, hat der Gesetzgeber einen normativen Rahmen festzulegen und sind die Behörden auf das Fachwissen der beigegebenen Spezialsachverständigen angewiesen. Die in der Beschwerde als „verfassungsrechtlich bedenklich“ bezeichneten gesetzlichen Bestimmungen in § 5 Z 18 und 29 NSchG beinhalten klar und eindeutig bestimmte wissenschaftlich abgrenzbare Lebensraumtypen, die von jedem für dieses Fachgebiet qualifizierten Sachverständigen bestimmt werden können. Dagegen liegen weder fachliche, noch rechtliche und schon gar nicht verfassungsrechtliche Bedenken vor.

Weiters ist nicht nur der Naturschutz, sondern sind eine Vielzahl in anderen Materiengesetzen geregelter Sachverhalte von der fachlichen Beurteilung durch Sachverständige abhängig, die ebenfalls für den Laien nicht augenscheinlich erkennbar sind. Aus diesem Grund sind den Behörden auch Amtssachverständige beigegeben, um diese Sachverhalte nach dem Stand des Wissens und der Technik beurteilen zu können. Auch dies stellt augenfällig keine Verfassungswidrigkeit dar.

Denn nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist ein unbestimmter Rechtsbegriff auch dann mit Art 18 B-VG vereinbar, wenn es zu dessen Beurteilung im Einzelfall sachverständigen Wissens bedarf (VfGH 21.2.2014, B 1429/2011; siehe auch VfSlg 19.569/2011).

Zur immer wieder behaupteten Nichterkennbarkeit dieser Lebensräume ist klarzustellen, dass das Vorliegen eines bestimmten Lebensraumes für den Sachverständigen eindeutig, die Erkennbarkeit einer Verdachtsfläche aber grundsätzlich auch für einen Laien bzw. jedenfalls für einen Landwirt sehr wohl möglich ist. Dazu werden nachfolgende Auszüge der Ausführungen von Dr. Helmut Wittmann (Mitverfasser der Biotoptypen-Steckbriefe) wiedergegeben, die dieser im Zuge der im Jahr 2021 aufgekommenen Diskussionen um eine Gesetzesänderung zu den Trocken- und Magerstandorten verfasst hatte [1]:

Im Frühjahr erkennt der Normalbürger einen Trocken- und Magerrasen oder zumindest eine Trocken- und Magerrasen-Verdachtsfläche ganz leicht, da es sich um eine Wiese handelt, die noch Ende März einen hellbraunen Farbton (hervorgerufen durch im Herbst vertrocknete und verwelkte Pflanzenteile und durch den noch nicht erfolgten Austrieb) aufweist. Die oftmals nur äußerst klein und fragmentarisch an Waldrändern vorhandenen hellbraunen Wiesenflecken oder -streifen stellen die Reste der ursprünglich großflächig vorhandenen und weit verbreiteten Trocken- und Magerrasen dar. Im Gegensatz dazu zeigen die landwirtschaftlichen Intensivwiesen, bedingt durch ihre außerordentlich gute Nährstoff- und Wasserversorgung, bereits unmittelbar nach der Schneeschmelze einen dunklen und sattgrünen Farbton. Diese Wiesen sind ganzjährig mehr oder weniger einheitlich grün.

Im weiteren Jahresverlauf erkennt der „Normalbürger“ einen Trocken- oder Magerrasen an seinem niedrigen Wuchs, an der oftmals nur teilweise geschlossenen Vegetationsdecke, an dem im Regelfall höheren Blütenreichtum als in den landwirtschaftlichen Intensivwiesen und am noch Vorhandensein von Insekten, wie Schmetterlingen oder Heuschrecken. Dies bedeutet nicht, dass jede Wiese, die diese Eigenschaften aufweist im gesetzlichen Sinn ein Trocken- oder Magerrasen ist, die Eigenschaften geben jedoch einen deutlichen Hinweis darauf, dass ein derartiger Lebensraum vorliegen kann.

Der Landwirt, der sich über Jahre bzw. Jahrzehnte mit seinen Flächen beschäftigt, müsste aber doch recht genau wissen, welche Bereiche zumindest als Verdachtsflächen den Trocken- und Magerstandorten zuzuordnen sind. Generell ist überall dort, wo es sich für den Landwirt in Hinblick auf den Heuertrag nicht „auszahlt“, mehr als zweimal pro Jahr zu mähen, der Verdacht auf einen Trocken- oder Magerrasen gegeben. Selbstverständlich kann der Landwirt darüber hinaus auch die Erkennungsmerkmale für den „Normalbürger“ heranziehen, wodurch für ihn eine recht gute Einstufung derartig geschützter Lebensräume oder zumindest von diesbezüglichen Verdachtsflächen möglich wird.

Für den Sachverständigen, d.h. für einen Biologen, der in Trocken- und Magerrasen sämtliche Pflanzenarten (und zum Teil auch Tierarten) kennt, ist es auf fachlicher Ebene im Regelfall eindeutig möglich, nicht nur eine Vegetationseinheit einem Trocken- und Magerrasen zuzuordnen, sondern exakt auszusagen, ob ein Lebensraum dem naturschutzrechtlich geschützten Typus der Trocken- und Magerstandorte zuzurechnen ist. Die in § 5 des Salzburger Naturschutzgesetzes (Begriffsbestimmungen) enthaltenen Legaldefinitionen stellen diesbezüglich quasi das „rechtliche Bestimmungsmerkmal“ dar.

Die unterschiedliche Erkennbarkeit für den „Normalbürger“, den Landwirt und den Sachverständigen kann man vielleicht an einem anderen Beispiel aus der rechtlichen Praxis zu anderen Themenbereichen gut aufzeigen. Ob es aus einem Industrieschlot zu viel herausraucht oder ob eine industrielle Einleitung in ein Fließgewässer zu stark verschmutzt ist, kann jeder „Normalbürger“ auf Verdachtsebene feststellen. Für die exakte Beurteilung, ob die Emissionsgrenzwerte sowohl beim Schlot als auch bei der Gewässereinleitung überschritten wurden, bedarf es einerseits einer exakten Festlegung der zur Emission zugelassenen Stoffe in Gesetzen, Verordnungen oder Bescheiden und zum anderen eines Sachverständigen, der mit entsprechenden Messmethoden die tatsächliche Menge der emittierten Stoffe feststellt.

Dies zeigt auf, dass es in unserem täglichen Leben und auch im üblichen Rechtssystem normal ist, dass es eines Sachverständigen bedarf, um gesetzliche Grenzen festzustellen, dass aber auch Laien dazu in der Lage sind, Abweichungen von „normalen“ Sachverhalten zu erkennen und mit der nötigen Sorgfalt im Zweifel einen Sachverständigen zu befragen oder sich bei der Behörde zu erkundigen, um selbst keinen Straftatbestand zu verwirklichen.

Im Übrigen könnte die Fortsetzung der Biotop-Kartierung und Veröffentlichung im SAGISonline die Rechtssicherheit durch Publizität für alle ganz einfach herstellen. (gs)

Literatur:

[1] Helmut Wittmann 2021, Stellungnahme zum Schutz bzw. zur Reduzierung des Schutzstatus von Trocken- und Magerrasen im Bundesland Salzurg. Link (abgerufen am 01.07.2023)

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Zu den Öffentlichen Interessen und deren Abwägung – geplante Änderungen

Foto: Gishild Schaufler

Das Regierungsübereinkommen 2023-2028 der neuen Salzburger Landesregierung sieht umfassende Änderungen des Naturschutzgesetzes, insbesondere auch hinsichtlich des jahrzehntelang bestehenden gesellschaftlichen Konsenses in Bezug auf die Grenzen des Naturschutzes vor: „Die Regelung im Salzburger Naturschutzgesetz, wonach die Interessen des Naturschutzes allen anderen öffentlichen Interessen vorgehen, ist zu überarbeiten (z.B. öffentliches Interesse an der Errichtung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien).“

Von den Erneuerbaren Energien zur Ausdehnung auf sämtliche Projekte

Für den Sektor der Erneuerbaren Energien (EE) wurde auf europäischer Ebene aus verständlichen wirtschaftlichen Gründen (Ukrainekrieg) und faktisch unbestrittenen Gründen des Klimawandels eine derzeit bloß befristete, aber auch im Verfahren widerlegbare Vermutung eines „überwiegenden öffentlichen Interesses“ verordnet (Beschleunigungs-Verordnung EU 2022/2577 vom 22.12.2022), die auch ohne Umsetzung in österreichisches Recht unmittelbar anwendbar ist.

Die bereits vor den Wahlen angestrebte Salzburger Novelle sollte aber weit darüber hinausgehen. Nicht nur ein Vorrang für EE-Projekte sollte in das Naturschutzgesetz aufgenommen werden, sondern es sollte auch die Schwelle des nachzuweisenden öffentlichen Interesses für sämtliche Projekte im Bundesland Salzburg herabgesetzt werden:

Dies sollte einerseits dadurch geschehen, dass nicht mehr die Zielsetzung des beantragten Projekts selbst einem besonders wichtigen öffentlichen Interesse unmittelbar dienen muss, sondern dass auch bloß mittelbare Nebeneffekte eines Projekts „im öffentlichen Interesse“ anerkannt werden können. Gemäß der höchstgerichtlichen Rsp des VwGH bilden aber zB. die Schaffung (und damit auch der Verlust) von Arbeitsplätzen oder ein erhöhtes Steueraufkommen oder Festlegungen der Raumordnung zwar (ein Indiz für) ein öffentliches Interesse, aber nicht das konkrete Ziel des Projekts. Nur wenn das Ziel des Projekts selbst unmittelbar einem besonders wichtigen öffentlichen Interesse dient (zB. der Erzeugung Erneuerbarer Energie, der öffentlichen Sicherheit, der Gesundheit), darf dieses mit den Naturschutzinteressen abgewogen werden. Jüngstes Beispiel in Salzburg war die geplante Erweiterung eines Schigebiets, für welches ein vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) beauftragtes Gutachten für Volks-, Regionalwirtschaft, Tourismus und Arbeitsmarkt aus wissenschaftlicher Sicht feststellte, dass für die neuen Pisten und Lifte lediglich ein betriebswirtschaftliches Interesse des Unternehmens vorlag, das zwar auch den Interessen der Region entsprach, für diese aber nicht unerlässlich, also zwingend erforderlich sei. Eine Änderung des Naturschutzgesetzes könnte dies umkehren: dann wäre jedes Projekt, das irgendwelche Nebeninteressen miterfüllt fähig, gegen das Interesse des Naturschutzes am Erhalt einer Art, einer Fläche oder eines Gebietes abgewogen zu werden.

Vorwand des bisherigen Überwiegens der Naturschutzinteressen

Andererseits stellt das Regierungsübereinkommen nun auch zusätzlich das Gleichgewicht der widerstreitenden öffentlichen Interessen in Frage: „Die Regelung im Salzburger Naturschutzgesetz, wonach die Interessen des Naturschutzes allen anderen öffentlichen Interessen vorgehen, ist zu überarbeiten“. Diese Prämisse geht aber von der falschen Annahme der Voraussetzung aus, dass die Naturschutzinteressen immer überwiegen würden. Das geltende Salzburger Naturschutzgesetz klärt in § 3a Abs 1 NSchG nur den Umstand, dass dem Naturschutzinteresse der Vorrang gegenüber anderen öffentlichen Interessen eingeräumt werden kann. Diese Bestimmung ist insofern notwendig, weil sonst überhaupt keine Versagung eines Eingriffs in geschützte Güter möglich wäre. Wenn aber besonders wichtige öffentliche Interessen für einen Eingriff sprechen und diese Interessen die Naturschutzinteressen überwiegen (weil sie für das Über/Leben der Menschen wichtig sind), dann müssen (auch bereits nach der aktuellen Gesetzeslage) die Naturschutzinteressen zurücktreten.

Einführung der Interessenabwägung 1977

Die Einführung dieser ausgeklügelten und gesellschaftspolitisch abgewogenen Interessenabwägung im Salzburger Naturschutzgesetz 1977 war revolutionär und gesellschaftlich befriedend gleichzeitig. Der damalige Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer senior schrieb dazu im Vorwort zur Veröffentlichung des neuen Gesetzes (Salzburg Dokumentationen Band Nr. 28, Juli 1978):

„Zwischen Mensch und Natur darf es vernünftigerweise keine Frontstellung geben – denn die Natur soll ja für den Menschen geschützt werden. Und zwar nachhaltig, nicht nur für die Gegenwart und die nächsten Jahre! Dabei bedarf es aber in jedem Einzelfall der sogfältigen Abwägung, was hier in irgendeinem bestimmten Teil der Landschaft Salzburgs wichtig ist: das Verändern des gegenwärtigen Zustandes zugunsten des Menschen oder: Das Bewahren des gegenwärtigen Zustandes – zugunsten des Menschen. Denn selbstverständlich gibt es zwischen dem Anspruch der Anwälte des Naturschutzes und dem Anspruch der Anwälte des Menschen im Hinblick auf Beschäftigung, Wohnen, auf Erholungsflächen usf. ein Spannungsfeld! Ein Spannungsfeld, das nur abgebaut werden kann, wenn nach klaren Überlegungen der Vernunft ein Abgleichungsverfahren erfolgt, dessen Basis nun das neue Salzburger Naturschutzgesetz sein soll. Aber natürlich: Perfekt und alle Bedürfnisse und Wünsche voll befriedigend kann keine Regelung sein. Das ist nicht Pessimismus, sondern wirklichkeitsbezogene Einschätzung!

In einer demokratischen Gesellschaft muß alles getan werden, gesetzliche Notwendigkeiten bürgernah, aber wirkungsvoll zu bewältigen. Auch unter diesem Gesichtspunkt sehe ich im neuen Naturschutzgesetz einen großen Fortschritt für unsere Bemühungen, behördliche Entscheidungen, wo dies nur möglich ist, im engsten Einvernehmen mit den Bürgern zu fällen.

Was wir aber vor allem brauchen, das ist eine Naturschutzgesinnung, die weiß, dass Naturhaushalt und Naturkreislauf ungemein empfindliche Systeme sind und äußerste Wachsamkeit erfordern, die sich aber trotzdem nicht von einem Fanatismus für die Natur und gegen den Menschen hinreißen läßt. Möge dieses neue Salzburger Naturschutzgesetz dazu beitragen, den richtigen Naturschutz in Salzburg zu gewährleisten.“

Mit dem Salzburger Naturschutzgesetz 1977 war daher ein fairer Ausgleich aller Interessen angestrebt und der Naturschutz gleichbedeutend auf derselben Stufe den wirtschaftlichen Interessen gegenübergestellt. Allerdings wurden diese strengen Regelungen seither auch bereits mehrfach angepasst, um die Erlangung einer Bewilligung zu erleichtern.

Einführung der Ausgleichsregelung 1993

So erwies sich das Salzburger Naturschutzgesetz 1977 insofern zu streng, als im Falle einer negativen Beurteilung eine Versagung nur durch den Nachweis unmittelbar besonders wichtiger öffentlicher Interessen abgewendet werden konnte (§ 3 Abs 3 iVm § 20 NSchG 1977). Da ein solcher Nachweis öffentlicher Interessen nicht den Regelfall, sondern eher den Ausnahmefall darstellt, waren die damaligen Regelfälle entweder die Bewilligung oder die Versagung von Eingriffen. Um aber anstatt einer Versagung – neben dem schwierigen Nachweis öffentlicher Interessen – trotzdem eine Möglichkeit zur Erlangung einer Bewilligung zu eröffnen, wurde mit dem Salzburger Naturschutzgesetz 1993 das System der Ausgleichsregelung eingeführt: „Durch das Vorschlagen geeigneter Ausgleichsmaßnahmen kann der Antragsteller auch Projekte bewilligungsfähig machen, die sonst auch im Wege der Interessensabwägung (§ 3) nicht konsensfähig wären, da zB keine öffentlichen Interessen dafür sprechen. Rechtspolitisch beruht dieses Instrumentarium auf der Überlegung, daß Eingriffe in den Naturraum durch Verbesserungen an anderer Stelle aufgewogen werden können, so daß im Endeffekt allen gedient ist.“ (Zitat aus RV 392 d.B. NSchG Nov 1997).

Der Gesetzgeber legte der Einführung dieser Regelung folgende Intention zugrunde:

„Eine Gesellschaft, die alle Annehmlichkeiten des modernen Lebens auskosten möchte, beeinträchtigt zwangsläufig die Natur. Wenn daher die negativen Auswirkungen unseres Wohlstandes langfristig gesehen offensichtlich unvermeidbar sind, sollte zumindest bei jedem Vorhaben, das die Natur beeinträchtigt, ein entsprechender Ausgleich geschaffen werden und zwar derart, dass die positiven Auswirkungen der Ausgleichsmaßnahme die negativen Auswirkungen des Vorhabens erheblich überwiegen.“

Die Einführung der Ausgleichsregelung im Salzburger Naturschutzgesetz 1993 stellte daher eine Erleichterung dar, die aber ihrerseits wiederum anfangs zu weit gefasst war, weil alle Vorhaben ausnahmslos und uneingeschränkt ausgleichsfähig waren, obwohl bestimmte schwerwiegende Eingriffe (wie die Zerstörung eines über tausende von Jahren gewachsenen Moores) gar nicht ausgeglichen werden können.

Einschränkung der Ausgleichsregelung 1999

Mit dem Salzburger Naturschutzgesetz 1999 (NSchG-Novelle 1997) wurde die Ausgleichsregelung sodann novelliert und auf den heutigen Umfang eingeschränkt. Die Materialien halten dazu insbesondere fest: „Maßnahmen, die Zielsetzungen eines geschützten Gebietes grundsätzlich zuwiderlaufen (zB den Weiterbestand eines Naturdenkmales gefährden oder das Landschaftsbild in einem Landschaftsschutzgebiet schwer beeinträchtigen) sind ebenfalls von der Ausgleichsmöglichkeit ausgenommen, da hier der Weiterbestand des Schutzgebietes höher zu bewerten ist als das Interesse an der Verwirklichung der Maßnahme.“

Ausbalanciertes System

Die Interessenabwägung des Jahres 1977 und die nachfolgende Ausgleichsregelung stellen ein weitgehend ausbalanciertes System dar. Diese Bestimmungen hielten bis heute den naturbewegten Bürgern, der Einführung der Umweltanwaltschaft, der erstarkten Naturschutzbewegung und den Rechten der Aarhus-Konvention stand und sicherten auch den gesellschaftlichen Frieden.

Betrachtet man allerdings aus heutiger Sicht den akuten Verlust an Biodiversität, das Artensterben, den Verlust artenreicher Feucht- und Trockenstandorte und die Handlungsnotwendigkeiten aufgrund des Klimawandels, müsste ein Systemwandel vielmehr in Richtung weniger Eingriffe und großflächige Renaturierungen eingeläutet werden, weil die bisherigen Regelungen zu wenig effektiv waren. Dies wird inzwischen europa- und weltweit immer stärker auch seitens der Bevölkerung, insbesondere der davon verstärkt betroffenen jungen Generationen gefordert und führt zu Protesten und Aktionen.

Eine Änderung des bisherigen Systems zu Lasten des Naturschutzes würde unweigerlich nicht nur auf Kosten der Natur gehen, sondern die Lebensgrundlage von uns allen weiter bedrohen. (mp)

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