Editorial der Umweltanwältin
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Foto: © Gishild Schaufler
Angesichts der anhaltenden vielen Umweltkrisen (Klimawandel, Artensterben, Müll und Plastik, Bodenverbrauch, Corona-Pandemie usw.), ist der Wunsch nach einfachen Lösungen, Innovation und Technologie sowie Bevorzugung einzelner Probleme oder gar ein Ignorieren der Ausmaße mehr als verständlich, aber nicht zielführend. Während sich immer mehr Menschen aus der Bevölkerung an uns wenden und unseren Einsatz für Natur und Arten wertschätzen, üben Projektwerber, Bürgermeister und Wirtschaftsvertreter Kritik, wenn wir uns zu Vorhaben kritisch äußern bzw. Einwendungen machen. Doch unterschiedliche Perspektiven sind wichtig und das Hinterfragen der Verträglichkeit von Eingriffen mit den Naturschutzinteressen ist unsere Aufgabe. Diese ist zudem gesetzlich festgelegt und wie die Bezeichnung Umweltanwaltschaft bereits sagt, die Vertretung von Natur, Umwelt und Arten.
Deshalb stellt sich die Frage, wieso den Umweltanwält*innen, wie sonst keinem Anwalt, ständig Vorwürfe gemacht werden, wenn sie ihrer Aufgabe nachgehen und versuchen, ihre Klientin bestmöglich zu vertreten. Der Unterschied besteht wohl darin, dass unsere Klientin keine menschliche Person ist, mit der man sich aus unserer menschlichen Perspektive identifizieren kann und die in unserem Rechtssystem auch keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Auch ist die Notwendigkeit von Naturschutz als Lebensgrundlage des Menschen und der eigentliche unverzichtbare Wert der Natur für die menschliche Existenz oft nicht bewusst. Er findet weder Platz in unserer Wirtschaft, noch ausreichend Niederschlag in Fördersystemen für Leistungen an die Allgemeinheit (siehe dazu bspw unseren Artikel zum GAP). Somit kommt es, dass wir der Natur gegenüber mit wenig Kenntnis und daher wenig Respekt begegnen, wenn es um die Durchsetzung unserer Eigeninteressen geht. Denn wir sehen die Natur und ihre Leistungen, sowie ihre kostenlose Nutzung nach wie vor als selbstverständlich an. Deshalb besteht immer noch ein enormes Ungleichgewicht zwischen den unterschiedlichsten Interessen von Projektwerber*innen auf der einen und Natur und Umwelt auf der anderen Seite. Dies zeigt sich auch in den vielen Ausweichmanövern von der UVP-Pflicht (Artikel zur Betten-UVP) oder in der Missachtung des Artenschutzes (Artikel "Mit Asphalt und Schotter gegen Artenschutz" und die Artikel über Goldschakal und Wolf).
Nach wie vor wird Deregulierung, Eigenverantwortung und Freiwilligkeit großgeschrieben, es soll keinesfalls verpflichtende Einschränkungen geben, auch dann nicht, wenn diese bereits seit Jahren bestehen, wie das Beispiel der Trocken- und Magerstandorte (siehe dazu die Artikel "Verfassung gegen Biotopschutz?" und "Biotopschutz in Eigenverantwortung oder Systemversagen?") zeigt. Aber eine Welt, in der wir immer nur auf unsere Rechte schauen und vergessen, dass wir auch Pflichten haben, kann auf Dauer nicht funktionieren. Denn zuerst verlieren zwar „nur“ die Schwachen und Rechtlosen, zu der auch die Natur gehört. Wenn aber das Gleichgewicht unwiederbringlich zerstört ist, trifft es alle. Überlegungen deshalb der Natur bzw. Ökosystemen Rechte bzw. eine eigene Rechtspersönlichkeit zu verleihen, sind nicht neu, diese gibt es bereits seit mehr als 50 Jahren oder auch bereits länger. Zuletzt haben Rechtsordnungen in Neuseeland und Ecuador oder Gerichte in Kolumbien und Indien Rechte auf Existenz und Regeneration der Natur anerkannt, was sich auch in den USA und der Schweiz fortsetzt, wie die Verwaltungsrichter-Vereinigung Mitte Juli 2021 berichtete.
Um die Naturzerstörung wirklich aufzuhalten, ist ein echter Wandel notwendig mit einer Abkehr vom wachsenden Ressourcenverbrauch, der unseren vermeintlichen Wohlstand erhalten soll. Doch es wird immer wieder mit verschiedenen „öffentlichen Interessen“ argumentiert, um weiter Flächen- und Naturverbrauch zu rechtfertigen. Ein Beispiel dazu ist das Altstoffsammelzentrum im Naturschutzgebiet (Artikel Altstoffsammelzentrum im Naturschutzgebiet). Damit versuchen wir ein Problem zu lösen, indem wir uns ein anderes schaffen bzw. dieses verstärken. Dabei wird oft übersehen, dass Naturschutz selbst ebenfalls ein wichtiges „öffentliches Interesse“ darstellt. Natürlich ist zum Klimaschutz, nach dem Energiesparen, auch der Umstieg auf Erneuerbare Energieträger unverzichtbar, doch sollten wir uns nicht blind an die Lösung des einen (Klima-)Problems machen und ohne Rücksicht auf Verluste das andere (Biodiversitäts-)Problem verschärfen, wie das Beispiel Kraftwerk Stegenwald (Artikel zum Kraftwerk Stegenwald) zeigt. Dabei waren wir wieder einmal mit der Frage konfrontiert, ob wir denn gegen alles sind? An diesem umstrittenen Wasserkraftwerk zeigt sich aber der Konflikt bzw. das Ausspielen des Arten- gegen den Klimaschutz. Dies führt zu den immer öfter gewünschten „eleganten“ oder vermeintlich „günstigen Lösungen“, bei denen dann die Natur meist „unter die Räder“ kommt und langfristig auf der Strecke bleibt.
Die Frage, ob wir gegen alles sind, kann ich aber nach selbstkritischem Hinterfragen unserer Tätigkeit, mit „nein“ beantworten, denn wir sind für unsere Klientin, die wir in den tagtäglichen Verfahren bestmöglich vertreten und in denen im Regelfall auch gemeinsam Lösungen gefunden werden. Die Entscheidung obliegt den Behörden bzw. in Einzelfällen Gerichten und genauso wie in jedem anderen Verfahren, sollen alle Parteien ihre Rechte geltend machen können, genauso wie die Projektwerber*innen, selbstverständlich auch die betroffene Natur. Und diese Vertretung und öffentliche Bewusstseinsbildung ist unsere gesetzliche Aufgabe, die wir gewissenhaft verfolgen, weil sie uns anvertraut wurde. Deshalb sind wir nicht gegen alles, sondern für die Rechte unserer Klientin. Denn ihre Pflichten erfüllt sie bereits bis zur Ausbeutung, woran auch der heurige Welterschöpfungstag bereits am 29.7.2021 erinnert.
Gishild Schaufler, Juli 2021
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Kommt die Neuausrichtung der Landwirtschaft? Aktuelles zur GAP!
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Förderungswürdige kleinräumige Landwirtschaft, Foto:(gs)
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Auch die Landwirtschaft spielt in der gesamten EU eine Schlüsselrolle bei der Erhaltung der Biodiversität und der Begrenzung der Klimakrise. Das liegt an dem großen Flächenbedarf und den seit Mitte des 20. Jhdt. erfolgten Landnutzungsänderungen, die großflächig zu einer Veränderung des Wasser- und Nährstoffhaushalts und der Lebensräume von Tieren und Pflanzen geführt haben. Die intensive Landwirtschaft hat negative Auswirkungen auf die Biodiversität und ganze Ökosysteme samt deren Ökosystemleistungen aber ebenso auf die Atmosphäre, z.B. durch die Freisetzung klimaschädlicher Treibhausgase in der Tierhaltung, wodurch globale Effekte und Verantwortlichkeiten entstanden sind.
Entsprechend groß sind die Anforderungen an die aktuell stattfindenden Verhandlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik in der EU (GAP) für die nächste Förderperiode 2023-2027.
Im Sinne der EU-Kommission soll eine Neuausrichtung der Landwirtschaft künftig einen entscheidenden Beitrag zur Begrenzung der Klima- und Biodiversitätskrise entsprechend des europäischen Green Deal und der Biodiversitätsstrategie 2030 leisten [1] und den Wandel zu einem nachhaltigen Ernährungssystem vorantreiben.
Im EU-Haushalt stehen für diese Aufgaben der GAP bis 2027 knapp 378,5 Mrd Euro und damit 31% des gesamten EU-Haushaltes zur Verfügung [2]. Nach Österreich fließen davon bis 2027 4,7 Mrd Euro für Direktzahlungen und Marktmaßnahmen aus der 1. Säule sowie weitere 4,1 Mrd Euro für Maßnahmen der ländlichen Entwicklung aus der 2. Säule der GAP [3]. Bis zum Jahresende muss Österreich hierzu einen nationalen GAP-Strategieplan vorlegen, um sicherzustellen, dass die öffentlichen EU-Gelder zur Erreichung dieser Zielsetzungen aber auch den ethischen, ökologischen, ökonomischen und sozialen Anforderungen der Landwirtschaft und der Verbraucher entsprechend gerecht verteilt werden.
Im Moment scheint es aber so, dass die nationale GAP-Strategie den Wandel zu einer sozialgerechten und umweltverträglichen Landwirtschaft nicht vollziehen kann. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie von Birdlife Österreich, GLOBAL 2000 und der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung in Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer, Biene Österreich, Bioverband Erde und Saat und Produktionsgewerkschaft PRO-GE, die feststellen, dass sich nur zwei von insgesamt acht Zielen mit den vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus vorgeschlagenen Maßnahmen erreichen lassen. Darüber hinaus stellen die Autoren fest, dass sich die künftigen Maßnahmen kaum von vorangegangenen unterscheiden, obwohl diese bis heute kaum Verbesserungen für diese Ziele bewirkt haben.
Beispielsweise bleiben die Bestimmungen für Almbewirtschaftungen nahezu identisch, es fehlen finanzielle Anreize zur Erhaltung oder Wiederaufnahme einer traditionellen Almbewirtschaftung.
Die für die extensive Grünlandwirtschaft bedeutende Festmistdüngung wird im Gegensatz zu einer Gülleseparierung nicht gefördert, weshalb sich der Trend der Güllewirtschaft im Grünland fortsetzen wird, was sich negativ auf die Biodiversität von Mähwiesen auswirkt. Bestehen bleibt außerdem die Investitionsförderung, die in der Vergangenheit mit etwa 700 Mio Euro österreichweit hauptsächlich Stallbauten und Wirtschaftsgebäude finanzierte und so maßgeblich zur Erhöhung der Stallkapazitäten und damit zu einer Intensivierung, aber auch zu einer Flächenversiegelung samt Baustoffverbrauch beigetragen hat.
Als besonderes Ziel gilt die Erreichung von 10% Naturflächen, die in Salzburg wahrscheinlich aufgrund des geo- bzw. topografisch bedingten hohen Anteils an Alm- und Extensivweiden sowie vergleichsweise kleinstrukturierten Besitzverhältnissen ohnehin bereits erreicht werden. Es ist aber absolut notwendig, dass dieser Schwellenwert auch in allen Landschaftsräumen im ganzen Bundesland und damit auch in intensiv genutzten Regionen erreicht wird. Wichtig wäre es außerdem, diese Extensivflächen unter Berücksichtigung des Biotopverbundes und eines Trittsteinkonzeptes zu situieren, um damit die Wirksamkeit für gefährdete Tier- und Pflanzenarten zu optimieren.
Künftig wird eine „Ergebnisorientierte Bewirtschaftung“ als eigene Maßnahme gefördert werden. Dabei sollen präzise Ziele inklusive messbarer und für den Betrieb erkennbarer Indikatoren definiert werden, die durch extensive Bewirtschaftungsformen eine Verbesserung für Schutzgüter wie Biodiversität und Bodenschutz erzielen sollen. Diese Maßnahme könnte also einen entscheidenden Beitrag in der Erreichung der EU-Zielsetzungen leisten. Fraglich bleibt allerdings, wie wirksam sich diese Maßnahme umsetzen lässt, insbesondere da noch keine expliziten Fördersätze bekannt sind.
In Salzburg haben sich vor zwei Jahren 18 Naturschutzfachleute gemeinsam in einer umfassenden Arbeit (Eichberger et al. 2019) mit den Herausforderungen bei ÖPUL-Naturschutz-Maßnahmen befasst und naturschutzfachliche Empfehlungen für künftige Förderprogramme formuliert und in den Mitteilungen des Hauses der Natur veröffentlicht.
Diese umfassen u.a. die Forderung nach Prämien für Flächen mit hochwertigen Zielarten, die später als üblich gemäht werden, als auch Förderungen für einmähdige Magerstandorte mit geringem Heuertrag und jährlich wechselnder Brachbereiche.
Weitere attraktive Prämien werden zum Insektenschutz gefordert, darunter die Anlage von Brachestreifen und eine Mahd dieser nach dem ersten herbstlichen Frostereignis oder mit dem letzten Schnitt im Folgejahr. Die Prämienhöhe von Brache- und Wiesenrandstreifen sollte sich entsprechend der Breite dieser Flächen und ihrer Lage z.B. entlang von Waldrändern oder Gewässern orientieren und finanziell entsprechend attraktiv sein, damit eine Umsetzung im Intensivgrünland möglich ist.
Auf Weideflächen sind attraktive Prämien zur Auszäunung von ökologisch bedeutenden Strukturen wie Mooren und Feuchtflächen notwendig, als auch eine Beschränkung der Tierzahl und Förderung spezieller Haustierrassen, damit Mager- und Hutweiden nicht unter der Beweidung leiden.
Für Feuchtflächen und Magerstandorte sind die bis dato kaum beanspruchten Prämien für die Bekämpfung von Problemarten wie Europa-Schilf (Phragmites australis) und Groß-Seggen (Carex sp., z.B. Carex acuta Spitz-Segge, C. acutiformis Sumpf-Segge) oder Adlerfarn (Pteridium aquilinum) anzuheben, da sich die Arten durch eine zusätzliche Mahd im Frühjahr leicht bekämpfen lassen und dadurch die Erhaltung artenreicher Wiesen gefördert wird.
Die Umsetzung dieser sowie weiterer Forderungen ist unbedingt notwendig, um die Biodiversität und den Naturhaushalt samt seiner Ökosystemfunktionen zu schützen und den European Green Deal erfüllen zu können. (lb)
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Alles anders. Alles gleich! Alles klar?
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Ein "Bett" gemäß BVwG. Foto: LUA
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Neue ‚Erkenntnisse‘ des BVwG zum UVP-Tatbestand für Feriendörfer und zur Frage: Was ist ein Bett?
Kommentierungen zum Erk des BVwG vom 19.04.2021, GZ W113 2237831-1/25E, von Mag. Markus Pointinger
Was ist ein Bett? Das ist eine Frage, die sowohl Projektentwickler als auch Behörden von Anbeginn jener Zeit beschäftigt, seit es das UVP-Gesetz und seinen UVP-Tatbestand der „Beherbergungsbetriebe, wie Hotels oder Feriendörfer, samt Nebeneinrichtungen mit einer Bettenzahl von mindestens 500 Betten oder einer Flächeninanspruchnahme von mindestens 5 ha, außerhalb geschlossener Siedlungsgebiete“ in Anhang 1 Z 20 des UVP-G 2000 gibt.
Für klassische Hotelanlagen und deren Betten, die in den meist kleinen Hotelzimmern allein aus Platzgründen zumeist fix aufgestellt sind, ergaben sich in den Anfangsjahren der Regelung hauptsächlich solche Fragen, ob auch Personalbetten mitzählen oder nicht bzw ob etwa "King-Size"-Betten bloß als ein Bett zählen oder doch als Doppelbetten? Sind Zustellbetten etwa auch zu beachten?
Alles schwierige Fragen, die von den Bau-, Gewerbe- und UVP-Behörden aller Bundesländer immer im Einzelfall neu beantwortet werden müssen, weil das Gesetz keine Vorgaben macht, was unter dem ominösen „Bett“ tatsächlich zu verstehen sei. Eines sei vorweg verraten: nach einem jüngsten Erkenntnis des BVwG ist das „Bett“ des UVP-G kein „Bett“ mehr.
Seit eine neue Form der Massen-Beherbergung die Alpen erobert, tauchen weitere Fragen auf. Die altbekannte, meist eng naturverbundene Hüttenvermietung, die überwiegend auf bereits bestehenden und einzelstehenden Almhütten aufbaut, wurde auf eine neue Stufe gehoben: das „Chalet-Dorf“! Ehemals landwirtschaftliche Almflächen in sonnigen Hang- und Alleinlagen außerhalb des sonstigen Siedlungsgebietes finden – wie auch immer – zunehmend neue Eigentümer: doch nicht bei Bauern, sondern bei Immobilienentwicklern und allenfalls dahinterstehenden ausländischen Investoren, die ihren Kunden steuerschonende Vorsorgemodelle bzw Renditeobjekte anbieten. Der Grundverkehr lässt grüßen. Vor Beginn müssen die als Grünland gewidmeten landwirtschaftlichen Flächen noch in Bauland umgewidmet werden. Eine „win-win“-Situation für Investoren gleichermaßen wie auch für Gemeinden, die sich neue Einnahmen davon erhoffen. Auf solchen Gunstlagen werden dann also nicht kleine traditionelle Almhütten-Weiler, sondern mittlere Dörfer betonierter und gemauerter Chalets im neo-traditionalistischen Stil (bspw 63 Stück in Neukirchen), mit Einzel- oder Tiefgaragen und jeglicher Infrastruktur des Baulands errichtet (asphaltierte Straßen, Kanal und Entwässerungsanlagen, Zentralheizungen, Internet, Schwimmbad, etc).
Chalets, das „Immobiliengold“ der Alpen, entzücken auch Anlage-Käufer, die bereit sind in alpine Immobilien in ansonsten unerreichbarer und damit „unbezahlbarer“ Lage zu investieren und die sich zusätzliche Renditen durch die Beherbergung erhoffen. In langen Zeiträumen gedacht ein einzigartiges Investment: sollte in einigen Jahrzehnten die Vermietung nicht mehr funktionieren, bleibt immer noch die Immobilie in Toplage.
Doch wie steht es um die Umweltverträglichkeit solcher Anlagen?
Die UVP-Richtlinie der EU fordert von den Mitgliedstaaten, dass sie „Feriendörfer und Hotelkomplexe außerhalb von städtischen Gebieten und zugehörige Einrichtungen“ entweder aufgrund von Schwellenwerten oder aufgrund von Prüfungen im Einzelfall einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterwirft. Der österreichische Gesetzgeber hat sich dazu entschieden solche Anlagen ab 500 Betten bzw ab einer Flächeninanspruchnahme von 50.000 m² einer UVP zu unterziehen. Dieser durchaus stattliche Rahmen stellt die Grundlage für die Entwicklung der immer beliebter gewordenen flächenhaften Beherbergungsgroßbetriebe dar. Regelmäßig werden österreichweit neue Standorte und Betten angekündigt.
Im Anlassfall der „Nationalparkchalets“ in Neukirchen waren ursprünglich Appartementhäuser mit bis zu 500 Zimmern(!) geplant. Später wurde die Idee eines Chalet-Dorfes entwickelt und im Jahr 2016 mit 448 Betten bau- und gewerberechtlich genehmigt: jedes Chalet wurde einem Haustyp zugeordnet und jeder Haustyp erhielt damit eine verbindlich festgelegte Anzahl an Betten. (Wie das BVwG daher nun im Erkenntnis von einer Zulässigkeit der freien Verteilung der Betten innerhalb des Gesamt-Vorhabens ausgehen konnte, ist angesichts der Normierung in den Bewilligungen nicht nachvollziehbar). Im Jahr 2019 zog man eine Erweiterung um bis zu 300, also auf rund 750 Betten in Erwägung, reduzierte diese Anzahl mit UVP-Feststellungsantrag der Projektwerberin im Februar 2020 aber wieder auf 499 und sodann 490 Betten.
Das Chalet-Dorf war damals und ist noch immer nicht fertig errichtet. So nahm die UVP-Behörde zum damaligen Ausbaustand des März 2020 eine Begehung vor und ermittelte 57 zusätzliche, bisher nicht bewilligte Schlafmöglichkeiten und forderte deren Entfernung. Gemeinsam mit den bewilligten Betten wäre der Schwellenwert von 500 Betten nämlich bereits vor Fertigstellung des Chalet-Dorfs überschritten gewesen. Dabei handelte es sich vorwiegend um mit Fotos belegte Ausziehcouchen und Stockbetten, welche teilweise sogar mit Bettzeug versehen und damit für eine Nächtigung bereitgestellt waren.
Nach Vorlage eines Gutachtens zu der Frage, was nach Ansicht der Projektwerberin als „Bett“ im Sinne des Gesetzes zu gelten habe und was nicht, stellte sie die zuvor abgebauten Betten teilweise wieder auf und die UVP-Behörde stellte mit Bescheid fest, dass keine UVP durchzuführen sei: die bei der Begehung vorgefundenen zusätzlichen „Betten“ bzw Schlafmöglichkeiten seien über die Online-Buchungsplattform letztlich nicht buchbar und daher auch nicht zu berücksichtigen, so die Begründung.
Aus Sicht der Landesumweltanwaltschaft Salzburg (LUA) war dieses Ergebnis insofern nicht zufriedenstellend, als die zu prüfenden Umweltauswirkungen eines Beherbergungsbetriebs ja nicht bloß von buchbaren Betten, sondern von der Anzahl tatsächlich nächtigender Personen ausgehen. Genau dafür fehlt es aber an einer gesetzlichen Definition.
Ebenso unbefriedigend am Ergebnis der UVP-Behörde war, dass die Chalets gegenüber Kaufinteressenten inklusive aller fixen Zusatzbetten, also mit bis zu 678 Betten, verkauft worden waren. Auf Basis von offiziell aufliegenden Verkaufsunterlagen einer den Verkauf der Chalets vermittelnden Firma, die sämtliche Angaben ausdrücklich von der Projektwerberin erhalten hatte, konnte belegt werden, dass auch die Ausziehcouchen als zusätzliche „Betten“ verkauft wurden (bspw. 6+4, 8+4 Betten). Damit besitzt jedes Chalet zwei Kapazitätsgrenzen: die Anzahl offizieller „Betten“ und die Anzahl sämtlicher verfügbarer Schlafplätze. Den bau- und gewerberechtlichen Bescheiden wurden aber nur die „offiziellen Betten“ je Chalet-Typ zugrunde gelegt.
Zusätzlich warb die Projektwerberin selbst auf ihrer Homepage damit, dass auch der Ruheraum der Sauna als „Multifunktionsraum“ und als zusätzlicher Schlafplatz genutzt werden könne, was die Anzahl der gesamten Schlafplätze auf über 741 erhöhen würde. Zur Erinnerung: der Wunsch der Projektwerberin im Februar 2019 lag bei rund 750 Betten.
Da es bisher also keine gesetzliche Regelung gibt, die genau definiert was unter einem UVP-relevanten „Bett“ im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist, erhob die LUA Beschwerde an das dafür zuständige Bundesverwaltungsgericht. Das nun vorliegende Erk des BVwG vom 19.04.2021, GZ W113 2237831-1/25E ist dem Grunde nach wenig überraschend, aber doch gesetzesändernd, pragmatisch und ernüchternd und lässt den Rechtsunterworfenen dennoch mit offenen Fragen zurück: Alles anders. Alles gleich! Alles klar?
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Sind Sie neugierig geworden? Lesen die den Artikel in voller Länge als PDF-Download von unserer Homepage: LUA-Sbg_2021_M.Pointinger_Alles-anders_Alles-gleich_Alles-klar_BVwG-UVP-Betten-Chaletdörfer
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Mit Asphalt und Schotter gegen den Artenschutz
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Geschotterte Fläche in der Stadt Salzburg, Foto: LUA
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Während die Wichtigkeit des Artenschutzes bereits bei vielen angekommen ist und Unternehmen, die den rechtmäßigen Weg wählen, für die ordnungsgemäße Abwicklung Zeit und Geld investieren, gibt es leider immer wieder auch Fälle schockierender Ignoranz. Allein im Juli 2021 wurden in der Stadt Salzburg sowie in der angrenzenden Gemeinde Wals zwei große Flächen im Ausmaß von ca. 5.000 m² und 20.000 m² mit Schotter bzw. Asphalt dem Artenschutz „entzogen“.
Die Selbst-Rechtfertigung in den Medien zu Letzterem, durch Fahrtenreduzierung zu den bisher 1,5 km entfernten Lagerplätzen für Container CO2 einzusparen, ist wiederum ein Beispiel für das Wegschauen von ganzheitlichen Sichtweisen und „Vorschieben“ des scheinbar alles rechtfertigenden "Klimaschutz"-Arguments. Allerdings wurde hier wohl, abgesehen von den Funktionen der geschützten Arten in unserem Ökosystem, bereits voreilig auch auf die Klimarelevanz der Asphaltherstellung und -aufbringung sowie auf den Verlust der Bodenfunktionen zur Kühlung und Wasseraufnahme vergessen.
Der Frust bei Unternehmen, die sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten und in aufwendige Artenschutzkonzepte investieren, ist verständlicherweise groß. Die Kosten-/Nutzenabwägung der widerrechtlichen Vorgangsweise wird wohl von manchen Umweltsündern trotz Strafverfahren und Wiederherstellungsverpflichtungen um einiges günstiger eingeschätzt, als die rechtmäßige Vorgangsweise. Auch in den Strafbeträgen zeigt sich der geringe Wert, der der Natur zugestanden wird.
Das Verwaltungsstrafverfahren sieht in § 61 NSchG Geldstrafen bis zu EUR 14.600,-- vor, bei Vorliegen besonders erschwerender Umstände, wie etwa nicht wiedergutzumachender abträglicher Auswirkungen oder großer wirtschaftlicher Vorteile der Tat auch bis zu EUR 36.500,--. Diese Höchstbeträge werden jedoch normalerweise nicht ausgeschöpft. Aber in der Einschätzung wird oft übersehen, dass zusätzlich ein Wiederherstellungsverfahren nach § 46 NSchG durchzuführen ist, in dem auch bei Unmöglichkeit der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ein solcher herzustellen ist, der den Interessen des Naturschutzes entspricht. Dies erfordert professionelle Planung, Fläche, Kosten und Zeit, sodass sich die rechtswidrige Vorgehensweise letztendlich tatsächlich nicht rechnet.
Wichtig ist aber auch der Hinweis auf Vergehen gegen Natur und Umwelt, die dem gerichtlichen Strafrecht nach den §§ 180 ff StGB unterliegen. Denn vorsätzliche, aber auch fahrlässige Beeinträchtigungen der Umwelt, wie die Verunreinigung oder Beeinträchtigung von Gewässern, Boden oder Luft, durch die eine Gefahr für den Tier- und Pflanzenbestand in erheblichem Ausmaß entstehen kann, ist kein Kavaliersdelikt. Je nach Schwere der Schuld und Folgen der Tat können sogar Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren verhängt werden.
Aber Straftatbestände sind eigentlich für Personen gedacht, die sich nicht an unsere Rechtsordnung und unser gesellschaftliches Miteinander halten. Im Sinne des respektvollen Umgangs mit unserer Umwelt, unseren Mitmenschen und Arten, auf denen ein lebenswertes Gesellschaftssystem aufbaut, sollte die Notwendigkeit der Anwendung solcher Strafbestimmungen die Ausnahme bleiben und am besten gar nicht notwendig werden. (gs)
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Geplante Bejagung des Goldschakals widerspricht EU-Recht
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Verbreitung des Goldschakals; Quelle: Trouwborst et al. 2015
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Kaum gibt es erste Nachweise des Goldschakals in Salzburg, fordern Landwirtschaftsvertreter und Jägerschaft die Aufhebung der ganzjährigen Schonung, damit der Abschuss möglich wird. Eine Bejagung der Art widerspricht aber dem EU-Recht.
Der Goldschakal ist ein kleiner Canide, etwas größer als ein Fuchs. Die Art wandert aus dem Südosten Europas nach Österreich ein. Im Burgenland gibt es auch schon ältere Nachweise des „Rohrwolfs“ mit einzelnen Fortpflanzungsnachweisen. Von dort breitete sich die Art in die Steiermark und nach Niederösterreich aus, einzelne Beobachtungen gelangen mittlerweile auch in Kärnten, Tirol und Oberösterreich. Der erste Nachweis in Salzburg stammt aus dem Gasteinertal, wo 1992 ein Goldschakal als "Fuchs" am Luderplatz abgeschossen wurde. Der Goldschakal ist Allesfresser und ernährt sich von kleinen Säugetieren wie Mäusen, Vögeln, Amphibien, Pflanzen und auch Aas. Gelegentlich werden Haustiere, wie Lämmer erbeutet. Hier bietet aber Herdenschutz mit Hunden oder bspw. auch mit Eseln wirkungsvolleren Schutz als Zäune. Eine Zusammenstellung der Biologie der Art, ihrer Einwanderung sowie eine Analyse von Habitatfaktoren samt Lebensraummodellen für den Goldschakal in Österreich findet sich in einer Studie am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft (IWJ), Universität für Bodenkultur Wien (Hatlauf et al. 2016).
In Salzburg ist die neue Tierart offensichtlich unerwünscht. Erst 2020 wurde der Goldschakal mit der sogenannten Jagdrecht‐Anpassungsverordnung als ganzjährig geschont eingestuft. Das war die Art zwar auch zuvor, allerdings bewirkte die Novelle, dass es lediglich einer Verordnungsänderung bedarf, um diese Schonzeit wieder einzuschränken. Außerhalb der Schonzeit ist der Abschuss erlaubt. Argumentiert wurde die damalige Änderung mit einer angeblich anstehenden Aufnahme des Goldschakals in die Liste invasiver gebietsfremder Arten - bei denen laut Jagdgesetz eine Verpflichtung zum Abschuss besteht, um eine Ausbreitung zu verhindern. Wie die LUA aber bereits damals einwendete, war diese Einstufung von der EU nie geplant und wurde diesen Bestrebungen von der EU-Kommission bereits eine klare Absage erteilt. Denn der Goldschakal ist eine Tierart, die sich ohne Einwirken des Menschen auf natürliche Weise ausbreitet.
Bereits derzeit ist der Goldschakal in Anhang V der FFH-Richtlinie gelistet, wie beispielsweise auch die Gämse. Damit ist eine Bejagung aber erst zulässig, wenn die Tierart einen günstigen Erhaltungszustand erreicht hat. Dieser ist beim Goldschakal in Salzburg, mit nur einzelnen Nachweisen und ohne Fortpflanzung aber sicher nicht gegeben. Das Argument, dass der Goldschakal in anderen Regionen seines Verbreitungsgebietes oder in europäischen Nachbarländern bereits diesen günstigen Erhaltungszustand erreicht hätte, ist nicht zulässig. Keinesfalls ist eine Bejagung erlaubt, wenn diese die Einwanderung und Ausbreitung der Art behindert. Dies wäre aber der Fall, wenn die in Salzburg auftretenden Einzelindividuen abgeschossen würden. Somit widerspricht die gewünschte Abschussfreigabe des Goldschakals in Salzburg – selbst bei Einschränkung auf eine beschränkte Schusszeit – klar dem EU-Recht. (sw)
Literatur:
Hatlauf J., F. Suppan & K. Hackländer (2016): Potenzieller Lebensraum des Goldschakals – Status, Habitatfaktoren und Modellierungsansatz. Säugetierkundliche Informationen, Jena 10, H. 51:133 - 153 http://www.parcs.at/npns/pdf_public/2019/37971_20190603_081950_2015_SI_Band10_Heft51_Hatlaufetal.pdf
Trouwborst A., M. Krofel & J.D.C. Linnell (2015): Legal implications of range expansions in a terrestrial carnivore: the case of the golden jackal (Canis aureus) in Europe. Biodivers. Conserv.24:2593–2610, DOI 10.1007/s10531-015-0948-y https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s10531-015-0948-y.pdf
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Verordnungsentwurf zum Wolf mehrfach EU-rechtswidrig
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Wolfsspuren in oberflächlich angetrocknetem, tonigem Untergrund, Foto: Unknown (Fish & Wildlife Service employee), Public domain, via Wikimedia Commons
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Die LUA ist in der Wolfsdiskussion aufgrund mangelnder Rechtsstellung nur Beobachter. Aus dieser Perspektive erscheint es so, dass alles versucht wird, sich nicht der Realität stellen zu müssen, dass der Wolf in den Alpenraum zurückgekehrt ist. Anstatt die Energie in krampfhafte Bemühungen zum Ausschalten des Artenschutzes zu stecken, wäre es für alle Beteiligten und insbesondere für die Landwirte und ihre Nutztiere hilfreich, die Energie zu nutzen um rasch Herdenschutzmodelle für unsere Gebirgslandschaften zu etablieren. Dabei wird es aber ohne ein Umdenken nicht gehen.
Wenig hilfreich dabei ist der aktuelle Verordnungsentwurf zum Abschuss von Problemwölfen mit nur einwöchiger Stellungnahmefrist, mit dem die strengen Prüfschritte des artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahrens nach der FFH-Richtlinie umgangen werden. Damit erfolgt keine nachvollziehbare Abarbeitung der Ausnahmekriterien, das Vorliegen des Ausnahmegrundes ernster Schäden ist nicht belegt. Alternativlösungen wurden nicht ausreichend geprüft, sondern einfach generell und nicht überprüfbar als undurchführbar bezeichnet. Eine Selektivität der Entnahme ist nicht gegeben, denn wenn sich ein abgeschossener Wolf nicht als der gesuchte „Problemwolf“ erweist, darf weiter geschossen werden. Der ungünstige Erhaltungszustand des Wolfs wurde gar nicht berücksichtigt. Eine Vereinbarkeit mit den Bestimmungen der FFH-Richtlinie ist damit nicht gegeben.
Durch die Abwicklung als Verordnung werden die Rechte "unliebsamer" NGOs ausgeschaltet, die sich lediglich zur Verordnung äußern dürfen, denen aber das Recht einer Beschwerde gegen einen Ausnahmebescheid genommen wird. Damit wird auch gegen die Aarhus-Konvention verstoßen. Aber auch wenn der Verfassungsgerichtshof die Verordnung aufhebt, kann in der Zwischenzeit eine unbestimmte Anzahl von Wölfen abgeschossen werden. Sollen so wolfsfreie Zonen geschaffen werden? (sw)
Weiterführende Informationen zum Thema:
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Verfassung gegen Biotopschutz?
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Magerwiese mit Flockenblume und Insekten, Foto:(gs)
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Der gesetzliche Schutz von Trocken- und Magerstandorten besteht seit 2007, im Zuge der Revision der Biotopkartierung kamen aber Konflikte mit der Landwirtschaftskammer auf, weil viele dieser Biotope erstmalig erfasst wurden. Die Revision wurde daher 2016 zur Überarbeitung der Einstufungskriterien gestoppt. In der Folge gab es 2019 Pläne, den gesetzlichen Schutz der Trocken- und Magerstandorte abzuschwächen, die zum Glück nicht umgesetzt wurden. Aber die für den effektiven Schutz so wichtige Biotopkartierung stand weiter still. Wir berichteten in den LUA-Notizen 4/2019 und LUA-Notizen 2/2020 darüber.
Zuletzt stand im Frühjahr 2021 die Diskussion über eine "offenkundige Verfassungswidrigkeit" des Lebensraumschutzes bei diesen Standorten im Raum. Diese wäre gegeben, wenn es zu keiner Änderung im Sinne einer Anhebung der Anzahl der für den Schutz notwendigen Deckung an Zeigerarten käme, weil Klagen beim VfGH durch betroffene Grundbesitzer angedroht worden wären. Doch die Wichtigkeit von Trocken- und Magerstandorten für den Erhalt zahlreicher gefährdeter Tier- und Pflanzenarten ist fachlich unbestritten. Zur Frage der Verfassungswidrigkeit holte die LUA daher eine Stellungnahme des Salzburger Univ.-Prof. für öffentliches Recht, Dr. Sebastian Schmid ein, der bestätigte, dass es sich bei der Festlegung einer höheren Anzahl an Zeigerarten um keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit handelt, sondern um eine politische Entscheidung, ob der Schutz wie bisher bleibt oder auf wenige, hochwertige Standorte reduziert wird, wie in unserer Presseaussendung im Mai 2021 zu lesen war.
Angesichts der mittlerweile vielfach dokumentierten Rückgänge vieler Arten, ist ein Erhalt der noch vorhandenen Trocken- und Magerstandorte als wichtige (Über-)Lebensräume für bereits selten gewordene Tiere und Pflanzen von immenser Bedeutung. In diesem Zusammenhang stellt die LUA auch hier noch einmal klar, dass wir die von Bewirtschafter*innen geleistete Pflege zum Erhalt dieser Standorte sehr wertschätzen und uns für eine angemessene Entlohnung aussprechen. Diese oft äußerst beschwerliche Arbeit leistet einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt und bringt somit einen großen Nutzen für die Allgemeinheit. (gs)
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Biotopschutz in Eigenverantwortung oder Systemversagen?
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Zweitwohngebiet statt geschützter Magerwiese, Foto:(gs)
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Unbestritten ist, dass Magerstandorte bedroht sind. Immer wieder wird aber argumentiert, dass der Schutz, die Kartierung und Kenntlichmachung im Biotopkataster zum Erhalt nicht zielführend seien. Denn diese Standorte sind auf die Bewirtschaftung der Grundeigentümer*innen angewiesen und motiviert können diese nicht durch den Schutz, sondern nur durch Freiwilligkeit werden. Aber wenn die beschwerliche Arbeit nicht entlohnt wird, wie soll dann Freiwilligkeit und Eigenverantwortung zum Schutz beitragen? Wie sollen die Probleme des nicht Bekanntseins von solchen Biotopen ohne Kartierung entschärft werden?
Ein Beispiel für das Versagen dieses Systems bot sich bei einem Lokalaugenschein im Juni wegen einer widerrechtlich errichteten Aufschließungsstraße zu einem Zweitwohngebiet im Bezirk Hallein. Dort wurden ein paar Parzellen am Rande eines landwirtschaftlichen Betriebes umgewidmet, verkauft und bebaut. Wie sich bei der Einsicht in die noch in Ausarbeitung befindlichen Vegetationsaufnahmen der Biotopkartierungsrevision vor Ort bedauerlicherweise herausstellte, handelte es sich um einen für Natur und Arten wertvollen Magerstandort, der nach der gesetzlichen Definition auch geschützt war. Aber aufgrund der seit langem ausstehenden Revision der Biotopkartierung war dieser nicht im SAGISonline öffentlich ersichtlich.
Die mit Zweitwohnsitzen bebauten Magerstandorte sind nun unwiederbringlich verloren und damit auch die auf dieser Fläche lebenden, seltenen Tier- und Pflanzenarten. Außerdem geht damit wieder ein Trittstein für diese Arten verloren und die Verinselung verbleibender Lebensräume nimmt zu. Der genetische Austausch und die Überlebensfähigkeit der Populationen nehmen ab und das Aussterberisiko steigt. Dieses Beispiel ist leider kein Einzelfall. Wenn die Biotopkartierung nicht endlich fortgesetzt und Geld für den Naturschutz in die Hand genommen wird, können solche Geschichten leider auch in Zukunft nicht vermieden werden. Zurück bleibt der unwiederbringliche Verlust an Lebensräumen, Arten und Biodiversität. (gs)
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Was hat ein Altstoffsammelzentrum mit einem Naturschutzgebiet zu tun?
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Ersatzflächen zur Aushagerung und Wiedervernässung, Foto:(sw)
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Eigentlich nichts, aber das Verfahren zum gemeinsamen Altstoffsammelzentrum der Gemeinden Seeham und Mattsee zeigt auf, wie schwer es Natur und Arten in der Abwägung gegen andere öffentliche Interessen haben. Denn das Altstoffsammelzentrum unterliegt dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Abfallsammlung und -entsorgung, die zweifellos von großer Wichtigkeit ist. Aber warum muss dies ausgerechnet im Naturschutzgebiet stattfinden?
Die Antwort auf unsere Frage war, dass es sich bei der gegenständlichen Fläche um einen nicht besonders hochwertigen Bereich handelt, der „nur“ eine Pufferfunktion im Kernbereich des Naturschutzgebiets erfüllt. Die benachbarte Kläranlage sei ja ohnedies schon vor Ort. Aber ein Puffer dient doch gerade dazu, Störungen auf Abstand zu halten und der vergleichsweise ruhige Betrieb einer bestehenden Kläranlage kann auch nicht mit den Störungen eines Altstoffsammelzentrums verglichen werden. Dies beinhaltet An- und Abfahrten von Autos, Entsorgen von Abfall durch Hineinwerfen in die Container, An- und Abtransport der leeren und vollen Container durch LKWs usw.
Bereits die im Kompromiss mit dem amtlichen Naturschutz vereinbarten restriktiven Öffnungszeiten, um Beeinträchtigungen durch künstliche Beleuchtung zu vermeiden, sowie der beengte Raum, die Mehrkosten für Schallschutzmauer, Auflagen zur Lichtvermeidung sowie erforderliche Ersatzmaßnahmen usw. zeigen, dass es sich eigentlich nicht um einen geeigneten Standort handelt. Doch ein anderer war nicht zu finden. Die Alternative in Perwang ist an der Bundesländergrenze gescheitert, da die Sammelbestimmungen in Oberösterreich andere sind, als in Salzburg.
Auch dieses Beispiel zeigt, dass Natur und Arten in unserem System nur einen geringen Wert besitzen und deshalb immer gegen andere öffentliche Interessen ausgespielt werden, selbst wenn es sich um ein Schutzgebiet handelt. Die faktische Verkleinerung und Entwertung, auch nur von randlich gelegenen Bereichen von Schutzgebieten, tragen aber mit zur fortschreitenden Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arten bei und somit zum Misserfolg der europa-, österreich- und salzburgweiten Bemühungen das voranschreitende Artensterben aufzuhalten. Wenn im Einzelfall immer andere Interessen als wichtiger eingeschätzt werden und die Alternativensuche nur sehr eingeschränkt durchgeführt wird und am Föderalismus scheitert, dann dürfen wir uns über den Fortgang des Artensterbens nicht wundern.
Im gegenständlichen Fall konnte die LUA durch ihre Beschwerde zumindest erreichen, dass es zusätzlich zu Verbesserungen bei den Ersatzmaßnahmen kam, aber auch das Schutzgebiet an anderer Stelle erweitert und somit der faktische Flächenverlust ausgeglichen wird. (gs)
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Kraftwerk Stegenwald in der letzten freien Fließstrecke der mittleren Salzach
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Salzach bei Stegenwald, Foto:(gs)
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Mitte Juni 2021 erteilte die Naturschutzbehörde die Bewilligung für den Bau des seit mehr als 10 Jahren höchst umstrittenen Kraftwerks „Stegenwald“. Mit dem Memorandum vom März 2009 setzten sich bereits damals die Landesumweltanwaltschaft gemeinsam mit mehreren Umweltschutzorganisationen, dem Landesfischereiverband und der Erzdiözese Salzburg für den Erhalt der letzten freien Fließstrecke an der mittleren Salzach ein.
Im aktuellen Naturschutzverfahren wurde von den Amtssachverständigen (ASV) wiederholt die naturschutzfachliche Höchstwertigkeit des Standortes festgestellt. Sie beschrieben die betroffenen strukturreichen und vielfältigen Bereiche der Salzach mit natürlichen Felsufern, Steilabhängen und Felsblöcken, schottrigen und sandigen Uferbuchten, Schotterbänken und -inseln mit Lebensräumen zahlreicher geschützter Tierarten, darunter Vögel, Säugetiere, Amphibien, Reptilien und Insekten. Vor allem an Gewässer gebundene Vogelarten wie Wasseramsel, Gebirgsstelze, Flussuferläufer und Eisvogel sind betroffen. Die ASV wiesen auch darauf hin, dass dieser Abschnitt in der Gesamtuntersuchung Salzach (GUS, Synthese der ökologischen Wertigkeit) – mit Ausnahme der Salzachauen – als der ökologisch wertvollste Teilbereich eingestuft wurde.
Deshalb wurde ein Bewilligungsverfahren nach den Ausnahmebestimmungen des „öffentlichen Interesses“ durchgeführt. Dazu musste das Interesse an der Umsetzung des konkreten Wasserkraftwerkprojekts an genau diesem Standort gegen das ebenfalls öffentliche Interesse am Naturschutz, das sich hier am Erhalt der letzten freien Fließstrecke der mittleren Salzach darstellt, gewichtet und gegeneinander abgewogen werden. Die Behörde gestand dem Schutzgut Naturhaushalt zwar ein "sehr hohes" öffentliches Interesse zu und verwies in ihrer Begründung auf die Aussagen der ASV, "die nachvollziehbar die besondere naturschutzfachliche Hochwertigkeit des verfahrensgegenständlichen Abschnitts der Salzach darlegen." So werden auch die im Projektgebiet liegenden natürlichen Uferabschnitte als "hochkomplexe Ökotonbereiche" eingestuft, "die wahrscheinlich nie wieder ihre vollständige Diversität erreichen, die u.a. auch in der natürlichen Flussdynamik mit den zahlreichen Kiesbänken und dem vielgestaltigen natürlichen Uferlauf begründet liegt. Der Kraftwerksbau führt nun zu einer großflächen Umgestaltung der vorhandenen Lebensräume".
Zudem hielt die Behörde fest, dass auch die projektierten eingriffsmindernden Maßnahmen und Bescheidauflagen die Beeinträchtigung nicht verhindern können und auch die verbleibende "Resterheblichkeit" zu einem "sehr hohen" öffentlichen naturschutzfachlichen Interesse an der Nichtumsetzung des Vorhabens führen. Daher war auch für die Behörde unstrittig, dass die hochwertigen Bereiche und natürlichen Uferabschnitte trotz aller begleitender Maßnahmen unwiederbringlich verloren gehen. Die naturschutzfachliche Begutachtung der zoologischen ASV, die die Einzigartigkeit dieses Gewässerabschnittes bestätigt und "dass das öffentliche Interesse des Naturschutzes aufgrund der zoologisch-ökologischen Höchstwertigkeit als extrem hoch anzusehen ist", wurde von der Behörde aber trotzdem nicht entsprechend gewürdigt. Denn sie kam sodann in ihrer kurzen Abwägung zum Überwiegen der Interessen an der Umsetzung des Kraftwerks.
Dieses Ergebnis bedeutet aber eine Gesetzesauslegung, nach der die Naturschutzinteressen, selbst bei Einzigartigkeit, Höchstwertigkeit und Unwiederbringlichkeit immer in der Abwägung gegen ein Wasserkraftwerk unterliegen. Im Kommentar Loos (2020) wird logischerweise festgehalten, dass je höher das Naturschutzinteresse und je schwerwiegender der Eingriff in die Natur ist, desto eher wird die Abwägung zu Ungunsten anderer öffentlicher Interessen ausfallen. Das muss aber auch für Eingriffe durch Wasserkraftwerke gelten, sonst verkäme die Interessensabwägung hier zu einem reinen Formalakt.
Die Frage, warum genau dieses Kraftwerk genau an diesem Standort im besonders wichtigen öffentlichen Interesse gelegen ist, wurde aber nicht ausreichend beantwortet. Die Behörde argumentierte mit den Zielsetzungen des Masterplans Energie (2021) und dem konkreten Ziel der Reduktion von Treibhausgasen um 50% bis zum Jahr 2030. Allerdings beträgt der Anteil des Kraftwerks daran nur 1,6 - 4,1%, je nachdem welche andere Erzeugungstechnologie zukünftig verdrängt wird. Mit dem Projekt selbst wird aber hauptsächlich die erzeugte Strommenge erhöht und damit das Geschäftsfeld erweitert, ohne gleichzeitig einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Somit stellt sich die Frage, ob dies ausreichen kann, um die hier extrem hohen öffentlichen Naturschutzinteressen zu übertreffen.
Aufgrund des im Vergleich zum Eingriff geringen Beitrags zum Klimaschutz und der für viele Jahrzehnte bzw. für immer verloren gehenden einzigartigen Natur und vielfältigen Lebensräumen für unterschiedlichste Arten in diesem alpinen Schluchtgewässer-Abschnitt der Salzach, hätte in diesem Einzelfall den Interessen am Naturschutz der Vorrang zukommen müssen, weshalb die LUA Beschwerde an das LVwG erhoben hat. (gs)
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