LUA-Notizen 1/2025
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LUA-Notizen

LUA-Notizen 1/2025

In diesem Newsletter

■ Editorial

■ Kommen Frösche überall vor? Ewiger Aufreger: Artenschutz

■ Studie der Universität Salzburg bestätigt starken Rückgang der heimischen Schmetterlingsarten – hat es sich bald ausgeflattert?

■ Was ist (uns) die Natur wert? Natur als Grundlage der Volkswirtschaft

■ Kein Wasser für das Hundsfeldmoor

■ Auswirkungen der NSchG-Novellen 2024 in der Praxis: Profiteure und Verlierer

Editorial

Gishild Schaufler
Foto: © Gishild Schaufler

Für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und eine gerechte Zukunft für unsere Kinder ist es wichtig, auch trotz der Einschränkungen im Naturschutz, die mit Anfang des Jahres 2025 in Kraft getreten sind, nicht aufzugeben und der Natur weiterhin eine Stimme zu geben. Deshalb freue ich mich, dass ich mit 1. Februar 2025 für eine weitere Funktionsperiode von 5 Jahren wiederbestellt wurde und bedanke mich auch hier noch einmal ganz herzlich bei meinem Team und allen Personen, die mich unterstützt und an mich geglaubt haben.

Die vielen Klagen unterschiedlicher Interessenvertreter über den Naturschutz gehen leider auch nach den weitgehenden Einschränkungen weiter, anstatt die Aufmerksamkeit zur Lösungssuche weg von Sündenböcken auf die wahren Ursachen zu lenken. Naturschutz ist weder ein Hobby noch eine Frotzelei, sondern lebensnotwendig für uns Menschen, die Zukunft unserer Kinder und auch für unsere Wirtschaft.

Entgegen der z.B. auch kürzlich von der Seilbahnwirtschaft zu den Speicherteichen in Lofer und Filzmoos (Berichte in SN und ORF vom 17. April und 4. Juni 2025) wieder mehrmals wiederholten Vorwürfen, der Naturschutz sei zu streng, die Verfahren würden zu lange dauern und die Arten seien ohnedies überall, zeigt uns die Wissenschaft, dass es um unsere Arten nicht gut bestellt ist (siehe die beiden Artikel zu den Fröschen und den Schmetterlingen) und dass deren Rückgang auch unsere Volkswirtschaften gefährdet (siehe Artikel über den Wert der Natur).

In den LUA-Notizen 3/2024 berichteten wir bereits über die damals geplante Streichung von Mitspracherechten der Natur unter dem Argument der Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung, die mit den Novellen ab 01.11.2024 und 01.01.2025 in Kraft getreten sind. Daraus ergaben sich auch negative Folgen für die Natur in anhängigen Verfahren durch den Verlust des Rechtsschutzes sogar in Europaschutzgebieten (siehe Artikel über das Hundsfeldmoor), des Verlusts der Parteistellung in Landschaftsschutzgebieten und Artenschutzverfahren sowie die Aufhebung des Lebensraumschutzes im Bauland (siehe Artikel über die in der Praxis bereits erfolgten Auswirkungen).

Da es durch die Gesetzesänderungen aber weder zu einer allgemeinen Beschleunigung noch Vereinfachung von Verfahren kommt und von dieser auch nicht die Allgemeinheit, sondern nur einige wenige profitieren, sollten die Verschlechterungen für die Natur wieder zurückgenommen werden. Denn Naturschutz liegt im öffentlichen Interesse und seine Vertretung dient nach der Zielsetzung des LUA-Gesetzes der Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen und somit von uns allen.

Gishild Schaufler, Juni 2025

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Kommen Frösche überall vor? Ewiger Aufreger: Artenschutz

Auch eine der noch häufigeren Amphibienarten wie die Erdkröte (Bufo bufo) steht in Salzburg auf der Roten Liste und ist geschützt. Foto: Verena Gfrerer

Was bei größeren naturschutzrechtlichen Verfahren mittlerweile Standard ist, ist bei den vielen kleinen bewilligungspflichtigen Maßnahmen oft noch ein ziemlicher Aufreger: der Artenschutz. Gibt es denn „überall“ geschützte Arten, fragt man sich? Die einfache Antwort lautet: Nein.

Die heimischen Roten Listen zeigen ein düsteres Bild. In Österreich sind mehr als die Hälfte aller Amphibien und Reptilien sowie knapp die Hälfte aller Fische und ein Drittel aller Vögel und Säugetiere stark gefährdet. Von den 3.460 Farn- und Blütenpflanzen stehen 1.274 Arten auf der Roten Liste: 66 Arten sind österreichweit ausgestorben bzw. verschollen, 235 Arten sind vom Aussterben bedroht, dazu kommen weitere 973 Arten, die in geringerem oder selten auch unbekanntem Ausmaß gefährdet sind [1]. Trotz dieser dramatischen Zahlen, die eigentlich zur Versachlichung beitragen sollen, wird die Thematik des Artenschutzes in den naturschutzrechtlichen Verfahren oft sehr kontrovers, teilweise auch emotional geführt, so nach dem Motto: wer was verhindern will, findet geschützte Arten - überall. So lautet zumindest der Vorwurf.  Kürzlich erhob sogar der ehemalige Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny im Standard vom 16. April den kruden Vorwurf, der Schutz unserer Lebensgrundlagen würde unser wirtschaftliches Fortkommen gefährden. Er spricht davon, dass die Errungenschaften einer auf Fakten basierenden Naturschutzpraxis eine Art “ideologischer Verabsolutierung” darstellen [2]. Eine Gegendarstellung seitens des Biodiversitätsexperten und Wissenschafter des Jahres 2022 Franz Essl von der Universität Wien unter dem Titel “Ohne Natur keine Wirtschaft” folgte prompt [3].

Wie aber passt das nun zusammen, Artensterben auf der einen – „überall“ geschützte Arten auf der anderen Seite? Nicht selten fängt es bei der Wahl der Flächen an, die beansprucht werden sollen. Ein Beispiel: Aus Sicht der Landwirtschaft gibt es grundsätzlich zwei Typen von Flächen – produktive und unproduktive. Produktiv: ertragreich, meist einfach zu bewirtschaften, unproduktiv: wenig ertragreich, aufwändig zu bewirtschaften. Soll es zur Umsetzung einer Maßnahme zum Beispiel der Errichtung einer Deponie kommen, werden hierfür in vielen Fällen die unproduktiven Flächen wie steile Böschungen, feuchte Senken bzw. Mulden, etc. ausgewählt. Für die Zurverfügungstellung der Fläche bekommt der Grundeigentümer Geld, bestenfalls führt die Maßnahme zusätzlich zu einer Erhöhung der Produktivität (Stichwort landwirtschaftliche Verbesserung). Vermeintlich eine Win-win Situation, es folgen technische Planungen, schließlich wird das Projekt bei der Behörde eingereicht. Kommt es nun zum naturschutzrechtlichen Verfahren, fängt es an, „kompliziert" zu werden. Die häufige Reaktion der Antragsteller: „Ein Lebensraum geschützter Arten soll die Böschung sein? Ein Artenschutzkonzept muss her? Schon wieder! Es gibt ja eh so viele Frösche!"

Dies mag bei so manchen Projektwerberinnen das Gefühl hinterlassen, dass die Tiere ja gar nicht so selten sein können. Diese Wahrnehmung ist leider trügerisch und entspricht bedauerlicherweise nicht der Realität. Eine in Salzburg durchgeführte Langzeitstudie aus dem Haus der Natur belegte 2017 erstmals die drastischen Verluste bei den heimischen Amphibien. Beim Grasfrosch wurde ein Rückgang um 83 (!) Prozent innerhalb von nur 20 Jahren verzeichnet [4]. Das bedeutet aber, dass das, was wir heute sehen, nur mehr ein Bruchteil dessen ist, was vor einigen Jahrzehnten noch Realität war. Wer kann sich heute noch vorstellen, dass Frösche in Österreich vor gar nicht allzu langer Zeit als kulinarische Spezialität galten? In MOSER (2008) heißt es u.a.: „In konkreten Befragungen wird angegeben, dass zur Hauptwanderzeit im Frühjahr von vielen Familien je hunderte Exemplare gefangen und in den Kochtopf befördert wurden. HASLINGER (1979) berichtet von ca. 15 Personen, die an drei Abenden im April dem Fröscheln am Almsee nachgingen und geht von „tausenden“ Tieren aus, die in die Bratpfanne wandern [5].“

Mit dem Vordringen in immer naturnähere Flächen und der zunehmenden Vereinheitlichung der Landschaft finden geschützte Tiere und Pflanzen kaum noch Lebensräume vor. Sie werden auf die wenigen extensiven Bereiche der Kulturlandschaft oder auf bis dato unbringbare Lagen zurückgedrängt. Zur Zunahme der menschlichen Aktivität kommt die Klimaerwärmung als Faktor hinzu. Der Anstieg der Temperatur sowie die Veränderung von Wettergeschehnissen hat viele noch unvorhersehbare Konsequenzen auf die Biosphäre. Arten können mit Anpassung darauf reagieren. Dafür werden aber „Ausweichrouten“ (Stichwort Biotopverbund) bzw. geeignete Rückzugsgebiete benötigt. Gehen diese verloren, ist zu befürchten, dass die Klimaerwärmung das menschengemachte Artensterben noch verstärken wird [6]. (vg)

[1] https://www.umweltbundesamt.at/umweltthemen/
naturschutz/rotelisten
, aufgerufen am 05.05.2025

[2] https://www.derstandard.at/story/3000000263838/
steht-der-naturschutz-ueber-allem
, aufgerufen am 05.05.2025

[3] https://www.derstandard.at/story/3000000266805/ohne-natur-keine-wirtschaft, aufgerufen am 05.05.2025

[4] KYEK M., KAUFMANN P. & R. LINDNER (2017): Differing long term trends for two common amphibian species (Bufo bufo and Rana temporaria) in alpine landscapes of Salzburg, Austria.
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/
journal.pone.0187148

[5] https://www.zobodat.at/pdf/DENISIA_0022_0107-0112.pdf, aufgerufen am 05.05.2025

[6] https://aktuell.uni-bielefeld.de/2022/11/02/
wie-beschleunigt-der-klimawandel-das-artensterben/
, aufgerufen am 05.05.2025

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Studie der Universität Salzburg bestätigt starken Rückgang der heimischen Schmetterlingsarten – hat es sich bald ausgeflattert?

Großer Feuerfalter (Lycaena dispar), Art des Anhang IV der FFH-Richtlinie: Auf frische, extensiv bewirtschaftete Bracheflächen angewiesen. Foto: Verena Gfrerer

Eine neue Schmetterlings-Studie aus Salzburg bestätigt den anhaltenden sowie dramatischen Rückgang der heimischen Schmetterlinge. Die Ergebnisse, die auf Langzeitdaten aus über 30 Jahren Forschung am Haus der Natur Salzburg beruhen, lassen wenig Zweifel offen. Unseren bunten, flatternden Zeitgenossen geht es schlecht. Besonders vom Rückgang betroffen sind laut Studie Arten mit speziellen Habitatansprüchen der tieferliegenden Gebiete (unter 800 m Meereshöhe). Als Hauptgrund wird – wie in den meisten Fällen – die Zunahme bzw. Intensivierung der Landnutzung genannt. Dabei spielt vor allem der Verlust vieler kleiner, naturnaher Flächen, die aufgrund von Nutzungsintensivierung land- und forstwirtschaftlicher Flächen bzw. des zunehmenden Bodenverbrauches verloren gehen, eine zentrale Rolle [1, 2, 3, 4, 5]. Schließlich ist auch das Fehlen von geeigneten Schutzgebieten (in dieser Höhenlage) ein entscheidender Faktor. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen schon vergleichbare Untersuchungen aus Tirol und Vorarlberg [6, 7, 8, 9].

Die Ergebnisse der Studie sind ein klares Indiz dafür, dass die Anstrengungen, die wir bis dato im Naturschutz unternommen haben, bei weitem nicht ausreichen um diesen anhaltend negativen Entwicklungen entgegen zu treten. In den Anfängen des Naturschutzes glaubte man, dass die Unterschutzstellung einzelner isolierter Gebiete ausreiche, um gefährdeten Arten das Überleben zu sichern. Dies wurde spätesten mit der Krefelder Studie, die einen dramatischen Insektenrückgang auch innerhalb der Schutzgebiete aufzeigte, eindrücklich widerlegt [10]. Neben daraus resultierenden grundsätzlichen Überlegungen zur Ökologisierung der Land- bzw. Forstwirtschaft, rücken zunehmend die meist nur noch kleinen, naturnahen Flächen wie extensive Feldraine, magere Böschungen, Gehölzinseln, Hecken, Quellfluren und Gräben etc. in den Fokus der Naturschutzbemühungen. Diese die Kulturlandschaft durchziehenden Trittsteinbiotope bzw. Kleinstlebensräume bilden jene wichtigen Netze bzw. Verbundstrukturen, die es den Arten ermöglicht, zwischen ihren Lebensräumen zu wandern, ungünstigen Entwicklungen auszuweichen, Gebiete neu zu besiedeln etc. [11]. In Deutschland wurde hierfür sogar ein länderübergreifender Biotopverbund gesetzlich verankert, der mindestens 10 Prozent der Fläche eines jeden Bundeslandes umfassen soll [12]. Besonders mit Blick auf die Klimaveränderung, auf die nicht nur wir Menschen, sondern auch die Arten bzw. Ökosysteme reagieren müssen, gewinnt diese „Durchlässigkeit“ der Landschaft immens an Bedeutung.

Angesichts dieses mittlerweile durch zahlreiche Studien belegten Wissens inkl. der daraus ableitbaren Handlungsempfehlungen sind die kürzlich erfolgten Gesetzesänderungen zum Salzburger Naturschutzgesetz wenig verständlich. Insbesondere die Schwächung des Lebensraumschutzes bei Trocken- und Magerstandorten sowie der Entfall des Lebensraumschutzes auf gewidmetem Bauland führen nachweislich zu einem flächenmäßig bedeutsamen Verlust hochwertiger Lebensräume. Dies schafft keinen „Interessensausgleich“, sondern ist eine klare Verschlechterung für die so dringend benötigten Netze, Trittsteinbiotope und Verbundstrukturen, die das Überleben und den Fortbestand von Arten und damit auch die menschliche Lebensgrundlage sichern. Langfristig wird die Konsequenz jene sein, dass sich die Entwicklung, wie in der Salzburger Schmetterling-Studie beschrieben, fortsetzen wird, Arten schließlich ganz aussterben, mit bis dato ungeahnten Folgen. Je länger dieser Vorgang andauert, umso schwieriger bis unmöglich wird es werden, ihn wieder rückgängig zu machen. (vg)

[1] ULRICH W., SCHMITT T., GROS P & JC. HABEL (2024) Increasing stability of northern Austrian Lepidoptera populations over three decades. Ecological Entomology 1-11.  https://doi.org/10.1111/een.13404

[2] https://www.sn.at/panorama/wissen/
forscher-schmetterlingsschwund-172000375
, aufgerufen am 05.05.2025

[3] https://kurier.at/chronik/salzburg/schmetterlinge-studie-
rueckgang-salzburg-universitaet-habel/403000660
, aufgerufen am 05.05.2025

[4] https://www.derstandard.de/consent/tcf/story/3000000253597/
langzeitdaten-zeigen-dramatischen-schmetterlingsschwund-in-niederen-lagen
, aufgerufen am 05.05.2025

[5] https://salzburg.orf.at/stories/3289782/, aufgerufen am 05.05.2025

[6] https://www.uibk.ac.at/de/newsroom/2022/
schmetterlings-vielfalt-in-vorarlberg-gefahrdet/
, aufgerufen am 05.05.2025

[7] https://tirol.orf.at/stories/3282087/, aufgerufen am 05.05.2025

[8] HUEMER P., LECHNER K., ORTNER A., TARMANN G.M. & B. Schattanek-Wiesmair (2024): Tagfalter und Widderchen Tirols: Verbreitung, Biologie, Gefährdung. Tiroler Landesmuseen-Betriebsges. Innsbruck 528S. ISBN 978-3-7030-6633-7.

[9] HUEMER P., RÜDISSER J.; HIERMANN U.; LECHNER K., MAYR T., ORTNER A. & JG Friebe (2022): Rote Liste gefährdeter Schmetterlinge Vorarlbergs (Neubearbeitung). Dornbirn: Inatura. ISBN 978-3-85298-243-4 .

[10] https://www.nabu.de/news/2017/10/23291.html, aufgerufen am 05.05.2025

[11] https://www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/doc/
an42218ullrich_et_al_2020_biotopverbund.pdf
, aufgerufen am 05.05.2025

[12] https://www.bfn.de/daten-und-fakten/geeignete-flaechen-und-
verbindungsachsen-fuer-einen-laenderuebergreifenden
, aufgerufen am 05.05.2025

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Was ist (uns) die Natur wert? Natur als Grundlage der Volkswirtschaft

Abb. 1. Vergleich Kartenhaus und Ökosystem. ©schlorian.ch

Schon wieder zehn Jahre ist es her, seit der erst kürzlich verstorbene Papst Franziskus (1936-2025) in der Enzyklika „Laudato si‘, Sorge für das gemeinsame Haus“ eindringlich vor den negativen Folgen der Ausbeutung der Natur gewarnt hatte:

Die Ressourcen der Erde werden (…) geplündert durch ein Verständnis der Wirtschaft und der kommerziellen und produktiven Tätigkeit, das ausschließlich das unmittelbare Ergebnis im Auge hat. Der Verlust von Wildnissen und Wäldern bringt zugleich den Verlust von Arten mit sich, die in Zukunft äußerst wichtige Ressourcen darstellen könnten, nicht nur für die Ernährung, sondern auch für die Heilung von Krankheiten und für vielfältige Dienste“ [1].

Die Bedeutung von Ökosystemleistungen

Diese äußerst wichtigen Ressourcen und Dienste, die der Papst im oben zitierten Absatz ansprach, werden im naturwissenschaftlichen Kontext als Ökosystemleistungen bezeichnet (ÖSL). Der Begriff umschreibt alle Services der Natur, die für uns lebensnotwendig sind und die wir von dieser frei zur Verfügung gestellt bekommen. Das ist zum Beispiel die Möglichkeit des Anbaus von Nahrung auf fruchtbaren Böden, oder die erfolgreiche Bestäubung von Obst- und Gemüsepflanzen, die durch eine diverse Insektenfauna ermöglicht wird. Wasser zum Trinken, das von aquatischen Lebewesen und filternden Böden wiederaufbereitet wurde und Luft zum Atmen, die von Pflanzen mit Sauerstoff angereichert wurde. Schutz vor Erosion und Hochwasser durch Pflanzenbewuchs und Auwälder. Genetische Ressourcen, die während Jahrmillionen andauernder Evolution entstanden sind und als Rohmaterial für Medizin, Pflanzen- und Tierzucht verwendet werden. Nicht zuletzt ein lebensfreundliches Klima, das durch Moore und Wälder, die Treibhausgase speichern, gewährleistet wird. Und vieles andere:

Ökosystemleistungen (ÖSL): Der Begriff der ÖSL war in den 70ern des vergangenen Jahrhunderts von Naturwissenschafter:innen geprägt worden, zu einer Zeit, in der die negativen Effekte des boomenden Wirtschaftswachstums der Nachkriegszeit auf die Natur immer offensichtlicher wurden [2]. Das Konzept der ÖSL sollte helfen, die oftmals komplexen Zusammenhänge von menschlichem Wohlergehen und intakten Ökosystemen auch einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen. Im Falle von Eingriffen in die Natur sollten die möglichen negativen Konsequenzen vor politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern besser kommuniziert werden können. Im Rahmen verschiedener Projekte wurde die Definition der ÖSL mittels umfassender Analysen über Funktion und Zustand der globalen Ökosysteme mehrmals angepasst und erweitert, auch um eine monetäre Bewertung der Leistungen zu ermöglichen [3-7, Ergänzung am Ende des Artikels]. Der Definition des Millennial Ecosystem Assessment (MEA) aus dem Jahre 2005 folgend werden die ÖSL in vier Kategorien eingeteilt: 1. Versorgende ÖSL wie Wasser, Nahrung, Holz und Fasern, genetische Ressourcen, 2. regulierende ÖSL in Bezug auf Klima, Hochwasser, Krankheiten, Abfall und Wasser, 3. kulturelle ÖSL zur Erholung, Ästhetik und für Spiritualität, und schließlich 4. unterstützende ÖSL für Bodenbildung, Bestäubung durch Insekten, Photosynthese und Nährstoffkreisläufe [3].

Voraussetzungen für das Funktionieren von Ökosystemen

Die meisten Menschen erachten diese kostenlosen, aber für uns lebensnotwendigen Leistungen als selbstverständlich. Ökosysteme können diese Services aber nur liefern, wenn ihnen eine starke Biodiversität mit vielen Komponenten zugrunde liegt.  Dies bedeutet: Vielfalt auf der Ebene der Lebensräume, der Arten und der Gene. Je weniger Komponenten vorhanden sind, desto störungsanfälliger wird das System, analog zur Statik eines Kartenhauses. Entfernt man eine nicht ersetzbare Karte, stürzt das Haus in sich zusammen (Abb. 1).

Biodiversität im Abwärtstrend

Eine umfassende Biodiversität ist also die Grundlage des Funktionierens von Ökosystemen. Sie nimmt jedoch weltweit massiv ab, auch bei uns. Trotz vieler Initiativen, dem fortschreitenden Verlust etwas entgegenzusetzen, sind heute weltweit viele natürliche und anthropogen entstandene Ökosysteme und Landschaften aufgrund unserer Übernutzung und Intensivierung stark beeinträchtigt oder zerstört [8]. Das darf nicht verwundern: Unser Verbrauch an natürlichen Ressourcen ist derzeit so hoch wie noch nie, und er steigt noch immer.

Ein Blick auf unser Heimatland Österreich zeigt: Wir hatten heuer (2025) schon am 29. März den Welterschöpfungstag erreicht (eine Woche früher als im Vorjahr) [9]. Dieser Tag markiert den Zeitpunkt, an dem wir Menschen die Ressourcen unseres Planeten, die in einem Jahr nachwachsen können, aufgebraucht hätten, wenn alle Menschen so viel verbrauchen würden wie wir in Österreich. In Sachen Bodenversiegelung für Bauten und Straßen sind wir ÖsterreicherInnen in Europa nach wie vor ganz vorne dabei – mit 12 ha/Tag [10]. Den größten negativen Einflussfaktor auf die Biodiversität stellt in Europa jedoch die in den letzten Jahrzehnten intensivierte Landnutzung dar: Der Austrag von Pestiziden und Dünger sowie das Verschwinden der geeigneten Lebensräume lassen auch hier die Bestände vieler Arten einbrechen, wie umfassende Studien zeigen (z.B. an Vögeln und Schmetterlingen [11-14]). Der Trend setzt sich durch praktisch alle Artengruppen durch.

Die Folgen unseres Überverbrauches und nicht-nachhaltigen Wirtschaftens sind jedenfalls massiv: Von den geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit ist eine Million vom Aussterben bedroht [15]. Das durch den Menschen verursachte unwiederbringliche Verschwinden von Arten ist in seinem Ausmaß vergleichbar mit den vergangenen fünf großen Aussterbeereignissen am Planeten Erde: Das letzte dieser Ereignisse bedeutete das Ende der Dinosaurier vor circa 65 Mio. Jahren [16, 17].

Die ökonomischen Folgen des Verlustes von Ökosystemleistungen

Der gegenwärtige Artenschwund hat bereits schwerwiegende Folgen: Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) stellte 2019 fest: 14 von 18 untersuchten Ökosystemen zeigen einen negativen Trend in ihren Ökosystemleistungen [6]. Das Weltwirtschaftsforum zählt daher die unweigerlich miteinander verschränkte Klima- und Biodiversitätskrise zu den größten Bedrohungen der Weltwirtschaft in den kommenden Jahrzehnten (World Economic Forum, WEO, 2022, [18]). Der Verlust der Ökosystemleistungen gefährdet also nicht nur unsere Versorgung mit Lebensgrundlagen, sondern hat auch gewaltige ökonomische Folgen. Die World-Bank rechnet vor: Wenn wir weiter so unvermindert Raubbau an der Natur betreiben, könnte der Wegfall von Ökosystemleistungen bereits 2030 zu globalen ökonomischen Verlusten von 2,7 Trillionen US-$ führen (World Bank, 2021 [19]).

Die unerreichbaren Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie

Die Biodiversität wiederherzustellen ist also essenziell. Im Mai 2020 wurde von der EU-Kommission deshalb die EU-Biodiversitätsstrategie (als Schlüsselelement des „EU-Green-Deals“) vorgestellt. „Zum Wohle der Natur, der Menschen und des Klimas“ wollte man damit bis 2030 die biologische Vielfalt auf den Weg der Erholung bringen: durch den Schutz von Gebieten, Wiederherstellung von Ökosystemen, Ermöglichung eines transformativen Wandels und globale Zusammenarbeit [20]. Auch wenn bisher bereits viele politische Schritte in die richtige Richtung gesetzt wurden, so zeigt eine aktuelle Zwischenbewertung (durch EU-Umweltagentur und EU-Kommission), dass insbesondere vier der bewerteten Teilziele wahrscheinlich nicht erreicht werden können. Dazu gehören die Bemühungen, die Verschlechterung des Artenschutzes aufzuhalten, den Verlust von Bestäubern rückgängig zu machen, die Nährstoffverluste im Boden um 50% zu verringern und den Einsatz von Düngemitteln um 20% zu reduzieren. Um die Ziele der Strategie zu erreichen, wäre eine stärkere Durchsetzung der bestehenden Umweltpolitik erforderlich, einschließlich der vollständigen Umsetzung der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur [21].

Das neue Budget ist wenig zukunftsfähig

„Ich investiere das Geld lieber in Bildung, Gesundheit und Klimaschutz als Milliardenbeträge für Zinsen zu zahlen“, verkündete der designierte Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) in der Doppelbudgetrede 2025/26 am 13. Mai 2025 im Nationalrat [22]. Dies klang zunächst vielversprechend. Tatsächlich wurden im neuen Budget aber starke Einschnitte vor allem im Klima- und Umweltbereich angekündigt, worauf zahlreiche Umwelt-NGOs mit großem Unverständnis reagierten [22, 23]. Selbst das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) attestierte dem Budget wenig Zukunftsfähigkeit, da viele nachhaltigkeitsfördernde Maßnahmen gestrichen wurden. Die Empfehlung des WIFOs hingegen wäre gewesen von nicht-nachhaltigen Förderungen verstärkt auf nachhaltige umzulagern, beispielsweise über die längst fällige Index-Anpassung von Umweltsteuern (z.B. der Mineralölsteuer) oder durch eine gezieltere und sozial gerechtere Vergabe von Förderungen (z.B. beim Tausch von fossilen Heizungssystemen) [24-26]. Das dadurch eingesparte Geld wäre auch sehr wichtig für die Finanzierung der Wiederherstellung degradierter Ökosysteme im Rahmen des EU-Renaturierungsgesetzes, welches in der EU im Frühling 2024 im Rahmen der (oben erwähnten) EU-Biodiversitätsstrategie beschlossen worden war [27-29]. So aber sind die beschlossenen Einschnitte im Klima- und Naturschutzbereich leider doppelt schädlich. Einerseits bedrohen sie den Schutz unserer Lebensgrundlagen, zum anderen werden sie in unmittelbarer Zukunft weitaus höhere Kosten verursachen.

NICHT zu renaturieren ist die viel teurere Option

Die Kosten für ein „Business-as-usual“ belaufen sich laut EU-Kommission auf geschätzte 1700 Milliarden Euro und sind damit mehr als zehn Mal höher als jene Kosten durch Renaturierungsmaßnahmen. Hingegen würde jeder in die Natur investierte Euro durchschnittlich 12 € an Wert schaffen: Investitionen von 154 Mrd. € zur Umsetzung der Renaturierung produzieren einen Nutzen von rund 1860 Mrd. € [26, 30]. Renaturierung schafft auch Arbeitsplätze: Für die geplante Restauration von 15% der degradierten Ökosysteme wird laut UBA-Bericht (2021) geschätzt, dass viele zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen würden. Man rechnet für Österreich mit einem Plus von bis zu 5000 zusätzlichen Vollzeitjobs für die nächsten 25 Jahre [8]. Dies alles abgesehen von einer besseren Lebensqualität und einer lebenswerteren Umwelt, die uns im Vergleich zum Nichthandeln erwarten würde.

Investitionen in die Wiederherstellung und den Schutz unseres Naturkapitals sichern aber auch unseren Nachkommen die Voraussetzungen für das Überleben. Die Natur sollte uns deshalb viel mehr wert sein, auch volkswirtschaftlich gesehen. Denn wie Rachel Carson in ihrem Buch „Der stumme Frühling“ bereits 1962 treffend formulierte:

Der Mensch ist ein Teil der Natur, daher ist sein Krieg gegen die Natur zwangsläufig ein Krieg gegen sich selbst“ [31].

(uj)


Ergänzende Infos zur monetären Bewertung und Bezahlung von Ökosystemleistungen: Die monetäre Bewertung von Ökosystemleistungen kann ein wirkungsvolles Instrument sein, um dem Verfall der Biodiversität und ihrer Funktionen/Leistungen gegensteuern zu können. Sie ermöglicht die Berechnung der finanziellen Beträge, die Erhaltern von Ökosystemen für ihren Aufwand zugestanden werden sollten und bringt Kostenwahrheit im Falle eines geplanten beeinträchtigenden Eingriffes in die Natur. Seit den 1990er Jahren werden immer ausgereiftere Modelle zur Berechnung des monetären Wertes von Ökosystemleistungen entwickelt, die wegen der Multifunktionalität von Ökosystemen ein komplexes Unterfangen ist [3-7]. Kritische Stimmen geben zu bedenken, dass eine Bepreisung eine womöglich unwiederbringliche Natur erst recht zur Verhandlungsmasse macht [32]. Global gesehen spielen Zahlungen für das Aufrechterhalten von Ökosystemleistungen (Payments for Ecosystem Services, PES) aber bereits eine zunehmend wichtige Rolle im Naturschutz, wenn auch die Effektivität der Maßnahmen schwer zu messen und Gegenstand intensiver Forschung ist [33, 34]. Viele dieser - oft schon in den 1990er Jahren gegründeten - PES-Projekte betreffen den Erhalt wasserspeichernder Wälder oder Wiederaufforstungen im Globalen Süden (mit dem Pioniermodel Costa Rica [34]). Sie zeigen ökonomisch oft eine starke Asymmetrie zwischen Globalem Norden, der für die Aufrechterhaltung der Leistungen bezahlt, und Globalem Süden, wo die Maßnahmen umgesetzt werden. Wichtige Faktoren für den nachhaltigen Erfolg von PES sind jedenfalls stabile und gerecht verteilte Zahlungen und konsequente Kontrollen [35, 36].

Auch in Österreich gibt es schon seit einiger Zeit Konzepte, das Aufrechterhalten von Ökosystemleistungen finanziell zu refundieren. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) wurde bereits 1995 das Agrarumweltprogramm ÖPUL („Österreichisches Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft“) eingeführt (seit 2015 auch „Umweltgerechte und biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung“, UBB, genannt). Auch wenn sich laut Homepage des BMLUK (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft) in Österreich zunehmend viele Landwirt:innen an diesem Projekt beteiligen und Förderungen beanspruchen [37], besteht hier noch dringender Verbesserungsbedarf. Evaluierungen bezüglich der Wirksamkeit dieser Maßnahmen (z.B. durch BirdLife) zeigten nämlich, dass die ÖPUL-Förderungen viel treffsicherer eingesetzt werden müssten, um den Biodiversitätsverlust auch messbar bremsen zu können [38]. Naturschutzfachliche Empfehlungen zur Verbesserung findet man z.B. auch in den „Mitteilungen aus dem Haus der Natur“ [39].


Referenzen:

[1] Papst Franziskus, 2015: Laudato si‘. Enzyklika, Über die Sorge für das gemeinsame Haus. Libreria Editrice Vaticana, Cittá del Vaticano, St. Benno Verlag GmbH, Leipzig.

[2] Ehrlich, P., and Ehrlich A., 1981: Extinction: The Causes and Consequences of the Disappearance of Species. New York; London: Random House.

[3] Millenial Ecosystem Assessment (MAE) https://www.millenniumassessment.org/en/About.html#1 Abgerufen am 27.05.2025.

[4] Costanza R., de Groot R., Sutton P., van der Ploeg S., Anderson S. J., Kubiszewski I., Farber S., Turner R. K., 2014 (26):  Changes in the global value of ecosystem services. Global Environmental Change.
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/
S0959378014000685
Abgerufen am 27.05.2025.

[5] The Economics of Ecosystems and Biodiversity (TEEB) im Rahmen des UN-Umweltprogrammes UNEP.
https://www.unep.org/topics/teeb/about-teeb Abgerufen am 27.05.2025.

[6] IPBES, 2019: Global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. Brondizio E. S., Settele J., Díaz S., Ngo H. T.  (editors). IPBES secretariat, Bonn, Germany. 1148 pages. https://doi.org/10.5281/zenodo.3831673 Abgerufen am 27.05.2025.

[7] Common International Classification of Ecosystem Services (CICES) im Rahmen der Europäischen Umweltagentur EEA. 
https://cices.eu/cices-structure/ Abgerufen am 27.05.2025.

[8] Paternoster D., Danzinger F., Koukal T., Kudrnovsky H., Lackner S., Berger A., Schadauer K., Wrbka T., Stejskal-Tiefenbach M., Ellmauer T., 2021: Strategischer Rahmen für eine Priorisierung zur Wiederherstellung von Ökosystemen auf nationalem und subnationalem Niveau. Endbericht Wien, 2021 Reports, Band 0741 ISBN: 978-3-99004-aria
https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/
publikationen/rep0741.pdf
  Abgerufen am 27.05.2025.

[9] Umweltberatung, 2025: „Earth Overshoot Day“ ein Weckruf für bewusstes Leben. 
https://www.umweltberatung.at/earth-overshoot-day Abgerufen am 27.05.2025.

[10] Pories S., Pfeiffer M., 2024: WWF-Bodenreport 2024, Die Verbauung Österreichs.
https://www.wwf.at/wp-content/uploads/2024/06/WWF_Bodenreport_2024.pdf. Abgerufen am 27.05.2025.

[11] BMIMI-Infothek, 2023: Studie bestätigt, dass intensive Landwirtschaft Hauptschuld an Vogelschwund trägt.
https://infothek.bmimi.gv.at/intensive-landwirtschaft-
traegt-hauptschuld-an-vogelschwund-traegt/
Abgerufen am 27.05.2025

[12] Rigal S., Dakos V., Hany Alonso H., Auniņš A., Benkőe Z., Brotons L., Chodkiewic T., Chylarecki P., de Carli E., del Moral J. C., Domşa C., Escandell V., Fontaine B., Foppen R., Gregory R., Harris S., Herrando S., Husby M., Ieronymidou C., Jiguet F., Kennedy J., Klvaňová A., Kmecl P., Kuczyński L., Kurlavičius P., Kålås J. A., Lehikoinen A., Lindström A., Lorrillière R., Moshøj C., Nellis R., Noble D., Eskildsen D. P., Paquet J-Y., Pélissié M., Pladevall C., Portolou D., Reif J., Schmid H., Seaman B., Szabo Z., Szép T., Florenzano G. T., Teufelbauer N., Trautmann S., van Turnhout C., Vermouzek Z., Vikstrøm T., Voříšek P., Weiserbs A., Devictor V. 2023 (120): Farmland practices are driving bird population decline across Europe. PNAS.
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[13] Habel J. C., Schmitt T., Gros P., Ulrich W., 2022 (851): Breakpoints in butterfly decline in Central Europe over the last century.
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[14] Emmerson M., Morales M.B., Oñate J.J., Batáry P., Berendse F., Liira J., Aavik T., Guerrero I., Bommarco R. ,  Eggers S., Pärt T., Tscharntke T., Weisser W., Clement L., Bengtsson J., 2016 (55): Chapter Two - How Agricultural Intensification Affects Biodiversity and Ecosystem Services. Advances in Ecological Research.
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[15] Europäisches Parlament, 2025: Bedrohte Arten in Europa – Zahlen und Fakten.
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[16] Ceballos G. and Ehrlich P.R., 2023 (120) Mutilation of the tree of life via mass extinction of animal genera. PNAS. https://doi.org/10.1073/pnas.2306987120 Abgerufen am 27.05.2025

[17] Cowie R.H., Bouchet P., Fontaine B., 2022 (97): The Sixth Mass Extinction: fact, fiction or speculation? Biological Reviews. 
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[18] Elsner M., Atkinson G., Zahidi, S., 2025: Global Risks Report 2025, World Economic Forum.
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[19] World Bank Group, 2021: Protecting Nature Could Avert Global Economic Losses of $2.7 Trillion Per Year,
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[20] EUR-Lex: Access to European Union law. EU-Biodiversitätsstrategie für 2030.
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Abgerufen am 04.06.2025.

[21] EEA und EU-Kommission: Zwischenbewertung zur Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie 2030
https://www.eu-umweltbuero.at/inhalt/eu-kommission-zwischenbewertung-
zur-umsetzung-der-eu-biodiversitaetsstrategie-2030?ref=
 Abgerufen am 04.06.2025.

[22] Österreichisches Parlament, Budgetrede von Finanzminister Marterbauer zum Doppelbudget 25/26 (13.05.2025) 
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[23] WWF Österreich, „Budgetrede: WWF kritisiert fehlenden Abbau umweltschädlicher Subventionen“
https://www.wwf.at/budgetrede-wwf-kritisiert-
fehlenden-abbau-umweltschaedlicher-subventionen/
Abgerufen am 29.05.2025.

[24] ORF vom 14.05.2025: „Budget bei Klima wenig zukunftsfähig‘ „https://orf.at/stories/3393301/ Abgerufen am 29.05.2025.

[25] Schratzenstaller, M., Sinabell, F., 2024: Policy Brief: Finanzierung der Umsetzung der Verordnung über die Wiederherstellung der Natur unter dem Aspekt der Kofinanzierung durch die EU. https://www.wifo.ac.at/publication/pid/54972222 Abgerufen am 27.05.2025.

[26] Schratzenstaller, M., Sinabell, F., 2024: Policy Brief: Finanzierung der Umsetzung der Verordnung über die Wiederherstellung der Natur unter dem Aspekt der Aufgaben- und Finanzierungsverteilung in Österreich.
https://www.wifo.ac.at/publication/pid/52711153 Abgerufen am 27.05.2025.

[27] Europäische Kommission, 2019: Mitteilung der Kommission, Der europäische Grüne Deal.
https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/
priorities-2019-2024/european-green-deal_de
  Abgerufen am 27.05.2025.

[28] Amtsblatt der Europäischen Union, 2024: Verordnung (EU) 2024/1991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2024 über die Wiederherstellung der Natur und zur Änderung der Verordnung (EU) 2022/869.
https://www.renaturierungsgesetz.at/das-gesetz/  Abgerufen am 27.05.2025.

[29] Umweltbundesamt, Verordnung zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme. 
https://www.umweltbundesamt.at/naturschutz/nature-restoration-regulation  Abgerufen am 27.05.2025.

[30] WWF Österreich, 2024: WWF-Faktencheck zum EU-Renaturierungsgesetz.
https://www.wwf.at/wp-content/uploads/2024/05/
WWF-Faktencheck-zum-EU-Renaturierungsgesetz-Mai-2024-1.pdf
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[31] Carson R., 1962: Silent spring. Houghton Mifflin Company, Boston.

[32] Kill J., 2015: Ökonomische Bewertung von Natur. Der Preis für Naturschutz? Eine kritische Auseinandersetzung. Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro Brüssel. https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/
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Abgerufen am 27.05.2025.

[33] Salzman S., Bennett G., Carroll N., Goldstein A., Jenkins M., 2018 (1): The global status and trends of Payments for Ecosystem Services. Nature Sustainability. https://www.nature.com/articles/s41893-018-0033-0  Abgerufen am 27.05.2025.

[34] Le T.T., Vodden K., Wu J., Bullock R., Sabau G. 2024 (10): Payments for ecosystem services programs: A global review of contributions towards sustainability, Heliyon.
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[35] Gaworecki M., 2017: Cash for conservation: Do payments for ecosystem services work? Mongabay.
https://news.mongabay.com/2017/10/cash-for-conservation-
do-payments-for-ecosystem-services-work/
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[36] Kolinjivadi V., Van Hecken G.,   Merlet P., 2024 (83): Fifteen years of research on payments for ecosystem services (PES): Piercing the bubble of success as defined by a Northern-driven agenda. Global Environmental Change.
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[37] Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft. Das Agrarumweltprogramm (ÖPUL) fördert Umweltschutz in der Landwirtschaft.
https://www.bmluk.gv.at/themen/landwirtschaft/gemeinsame-agrarpolitik-foerderungen/
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Abgerufen am 27.05.2025.

[38] Bergmüller K., Nemeth E., 2019: Birdlife Österreich, Evaluierung der Wirkungen von Agrarumweltmaßnahmen anhand von Vogeldaten. Endbericht 2019.
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Abgerufen am 06.05.2025.

[39] Eichberger, Ch., Wolkerstorfer C., Brameshuber S., Eichberger I., Gfrerer V., Gressel H., Gros P., Kyek M., Maletzky A., Medicus Ch., Nowotny G., Ortner E., Popp-Kohlweiss S., Schaufler G., Schröck Ch., Schwaighofer W., Weber M., Wittmann H. 2019 (25): Herausforderungen bei ÖPUL-Naturschutz-Maßnahmen und naturschutzfachliche Empfehlungen für künftige Förderprogramme, Netzwerk Natur Salzburg. Mitteilungen Haus der Natur Salzburg. https://www.hausdernatur.at/files/media_hdn/downloads/
publikationen/mitteilungen_hdn/2019/
01_Eichberger%20et%20al.%202019.pdf
Abgerufen am 27.05.2025.


Abbildungen:

Abb. 1: Schlorian.ch. Cartoon der Woche 20/2019, Ein Cartoon zum Thema Biodiversität
https://www.schlorian.ch/cartoon-der-woche-20-2019/ Download mit freundlicher Genehmigung des Künstlers am 06.05.2025

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Kein Wasser für das Hundsfeldmoor

Hundsfeldmoor, alter Quellsammelbehälter mit widerrechtlicher Wasserableitung (schwarzer PE-Schlauch). Foto: Gishild Schaufler

Natur ohne Stimme als Verlierer am Ende eines langen Verfahrens – Fortsetzung zur Körnerhausquelle (LUA-Notizen 4/2020)

Moore in Bedrängnis

Moore sind auf Wasser angewiesen, sie beherbergen wichtige Lebensräume und speichern große Mengen an Kohlenstoff. In den letzten 100 Jahren sind 70-80% der Moore in Österreich verschwunden (LUA-Notizen 3/2023). Sie wurden zur besseren Bewirtschaftung entwässert, zur Bebauung trockengelegt oder durch unsere Freizeitnutzung beeinträchtigt.

Schigebiete, Klimawandel und Wasserknappheit

Die Entwicklung des Wintersports und der Schigebiete brachten wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand in die Dörfer der österreichischen Gebirgsregionen. Doch führte diese Entwicklung, die anfangs klein begann, von einem naturverträglichen zu einem Massentourismus mit immer mehr Eingriffen in die alpine Bergwelt. Weil der Schnee mit dem Klimawandel weniger wird, behilft man sich mit künstlicher Beschneiung, für die immer mehr Wasser benötigt wird. Trotz fortschreitender Klimakatastrophe gibt es aber immer noch Ausbaupläne in Schigebieten. Das Wasser wird knapp und zum kostbaren Gut.

Schutz des Hundsfeldmoors in Obertauern

Die Notwendigkeit Natur zu schützen wurde zwar erkannt, aber die Umsetzung bleibt schwer, wenn sie Grenzen für das Wirtschaftswachstum aufzeigt. Ende 1990 wurde das Hundsfeldmoor in Obertauern als Naturschutzgebiet und 2006 zudem als Europaschutzgebiet ausgewiesen. Der Schutz dient insbesondere der Erhaltung der Moorflächen und darauf angewiesener Tier- und Pflanzenarten, wie z.B. das Rotsternige Blaukehlchen. Beeinträchtigt ist das Hundsfeldmoor aber seither auch durch Straßen, Schiwege, starke Beweidung und zahlreiche Quellfassungen. In der Mitte des Schutzgebietes befand sich seit den 1950er Jahren das Theodor-Körnerhaus, eine Naturfreundehütte, deren Ausbaupläne Mitte der 1990er Jahre großen politischen und medialen Wirbel auslösten, bis man sich auf den Ankauf, Abbruch und die Rekultivierung einigte.

11,5 Millionen Schilling aus dem Naturschutz

Die Gemeinde Untertauern zeigte damals Interesse wegen des Wassers, hatte jedoch kein Geld für den Ankauf des Grundstücks [1]. Allerdings ging man ohnedies nicht von einer zusätzlichen Abgeltung für das mit der Liegenschaft verbundene Wassernutzungsrecht aus, weil man damals der Meinung war, dass „dieses Recht ausschließlich zum Zweck der Versorgung eines auf der Liegenschaft befindlichen Gebäudes besteht und daher eine Einspeisung in das Versorgungsnetz der Wassergenossenschaft nicht in Frage komme“ [2]. Um die Beeinträchtigung des Schutzgebietes zu beseitigen, wurde der Gemeinde Untertauern 1996 von der Landesregierung ein Betrag von 11,5 Mio Schilling, für den Ankauf des Theodor-Körner-Hauses gewährt. Die Gemeinde Untertauern sollte dafür den Abbruch des Objektes und die Rekultivierung vornehmen. Der Ankauf erfolgte zur Verbesserung des Schutzgebietes, weshalb die 11,5 Mio Schilling aus dem Budget auch „zu Lasten des Ansatzes Naturschutz“ gingen [3]. Das war eine gute Investition in den Naturschutz, doch sollte das Wasser nicht im Moor verbleiben.

Wasserableitung aus dem Moor

Der Tourismusort hatte bereits seit längerem mit Wasserproblemen zu kämpfen [4] und im Jahr 1999 wurde die Neufassung der Körnerhausquelle am bisherigen Standort beantragt. Dies war aber nach den geologischen und wasserbautechnischen Sachverständigen wasserrechtlich nicht bewilligungsfähig [5]. Inzwischen war das Hundsfeldmoor zudem als Europaschutzgebiet ausgewiesen worden. Im Jahr 2008 wurden durch die Behörde widerrechtlich errichtete Leitungen vom Quellsammelbehälter der Körnerhausquelle im Hundsfeldmoor festgestellt und 2013 ein Bescheid mit dem Auftrag zur Beseitigung der Leitungen erlassen, der auch vom LVwG 2014 (LVwG-1/36/3-2014) bestätigt wurde. Trotzdem wurden die Leitungen über weitere 10 Jahre im Moor belassen und das Wasser damit widerrechtlich abgeleitet.

Bewilligung der Ableitung von 47,3 Mio Liter Wasser

Im Jahr 2016 wurde die Fassung einer neuen Quelle, aber mit der bisherigen Bezeichnung als „Körnerhausquelle“ an einem neuen Standort oberhalb des Hundsfeldmoores beantragt und von der Behörde 2017 bewilligt. Wegen der offenen Fragen zum Wasserhaushalt für das Moor in der höchsten Schutzgebietskategorie sowie zur Beeinträchtigung durch die Quellfassung und Ableitung von 47,3 Mio Liter Wasser pro Jahr erhob die LUA Beschwerde an das LVwG und Revision an den VwGH (LUA-Notizen 4/2020). Das Höchstgericht hob sodann die Bewilligung 2019 (Ra 2019/10/0014) und erneut 2024 (Ra 2022/10/0149) auf, weshalb das Verfahren im 3. Rechtsgang wieder beim LVwG landete.

Entzug des Revisionsrechts der Natur

Inzwischen wurde der LUA durch die Gesetzesnovelle mit Beginn des Jahres 2025 das Revisionsrecht und damit der betroffenen Natur die Vertretung und die Stimme genommen, sich an den VwGH zu wenden. Der zuletzt mit LVwG-Erkenntnis vom 02.05.2025 (405-1/1045/1/20-2025) erteilten Bewilligung der Wasserentnahme stand die Natur daher nun ohne Rechtsschutz gegenüber. Die offenen Fragen zum notwendigen Wasserhaushalt und zur Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands des Moores sowie zur Rechtmäßigkeit der bisherigen Wasserentnahme werden daher nie ausreichend geklärt werden.

Zum Erkenntnis des LVwG

Das LVwG ging im aktuellen Erkenntnis von einer bisher durchgehenden und rechtmäßigen Wasserentnahme der beantragten Menge aus, da die wasserrechtliche Bewilligung ursprünglich aus dem Jahr 1955 stammte. Damals gab es noch keine naturschutzrechtliche Bewilligungspflicht, weil das Hundsfeldmoor erst 1991 als Naturschutzgebiet und 2006 als Europaschutzgebiet ausgewiesen wurde. Für eine rechtmäßige Ableitung im Jahr 1955 reichte die wasserrechtliche Bewilligung aus und auch 1991 bzw. 2006 wäre ein durchgehend unverändert aufrechter und somit rechtmäßiger Altbestand naturschutzrechtlich zu berücksichtigen gewesen. Dieser lag jedoch am gegenständlichen Standort aus folgenden Gründen nicht mehr vor.

Kritik der LUA

Das Körnerhaus wurde 1996 abgerissen. Bereits zwei Jahre später gab es Bestrebungen zur Neufassung der Körnerhausquelle. Aus der Verhandlungsschrift vom 19.08.1999 ergibt sich, dass die vorhandene Quellfassung „desolat“ sowie eine Sanierung wasserrechtlich nicht bewilligungsfähig war [5]. Aus dem Sanierungsprojekt 2013 ging ebenfalls hervor, dass die Anlagenteile der Quellfassung „desolat“ sind und aus einem Schreiben des Wasserwirtschaftsreferats ging hervor, dass für „die Sanierung und die Ableitung der Quelle vorab … eine wasserrechtliche Bewilligung zu beantragen“ war [6]. Der neue wasserrechtliche Bewilligungsbescheid am neuen Standort stammt aus dem Jahr 2016, womit die Entnahme ab diesem Zeitpunkt am alten Standort jedenfalls auch wasserrechtlich nicht mehr gedeckt war. Zudem hätten die widerrechtlich verlegten Leitungen seit dem erwähnten LVwG-Erkenntnis 2014 entfernt werden müssen und hätte auch das Wasser nicht von dort aus dem Moor abgeleitet werden dürfen.

Folgen für das Moor

Die Entnahme von 47,3 Millionen Liter Wasser pro Jahr in einem Schutzgebiet der höchsten Kategorie, das auf große Mengen von Wasser angewiesen ist, wurde nun fast 30 Jahre nach Abbruch des Körnerhauses bewilligt. Das Ende des langen Verfahrens ist vielleicht kurzfristig gut für den Tourismus in Obertauern, aber langfristig schlecht für die Natur. Denn das Moor befindet sich insgesamt in keinem günstigen Erhaltungszustand und hat trotz Ausweisung als Europaschutzgebiet wieder einmal gegen die Tourismuswirtschaft und ihre Begehrlichkeiten verloren. Damit ist aber auch im Zusammenhang mit einer über die Jahre gewachsenen Anzahl und Menge an vielen anderen Wasserentnahmen im Einzugsgebiet, eine weitere Verschlechterung des geschützten Hundsfeldmoores zu erwarten. (gs)

[1] Salzburger Landeskorrespondenz, 24.04.1995, Nr. 79, Seite 26.

[2] Salzburger Landeskorrespondenz, 26.06.1995, Nr. 120, Seite 32.

[3] Salzburger Landeskorrespondenz, 26.02.1996, Nr. 40/II, Seite 23; Salzburger Landeskorrespondenz, 15.07.1997, Nr. 135, Seiten 8ff

[4] Krisai, R. 1995: Gutachtliche Stellungnahme zu den Auswirkungen der Quellfassungen des Jahres 1994 in Obertauern auf das Hundsfeldmoor vom 29.08.1995.

[5] Verhandlungsschrift vom 19.08.1999, Zahl: 1/01-1008/342-1999.

[6] Schreiben vom 16.01.2015, Zahl: 207-62550/4/306-2014.

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Auswirkungen der NSchG-Novellen 2024 in der Praxis: Profiteure und Verlierer

In der laufenden Legislaturperiode des Salzburger Landtags hat sich die Landesumweltanwaltschaft in den LUA-Notizen bereits intensiv mit jenen Themen auseinandergesetzt, die im Regierungsprogramm den Natur- und Artenschutz und die Verfahrensbeteiligung der Natur und ihrer Vertretung betreffen. Dazu zählten u.a. Themen wie Verfahrensbeschleunigung in der Naturschutzpraxis, Mehrfachgleisigkeiten im Verwaltungsverfahren, Revision der Biotopkartierung, Streit um Trocken- und Magerstandorte, Zum gesetzlichen Schutz, der Verfassung und Erkennbarkeit von Trocken- und Magerstandorten, Zu den Öffentlichen Interessen und deren Abwägung, Gesetzesnovelle - Verschlechterung des Naturschutzes, Naturschutzgesetz-Novelle für Erneuerbare Energien (RED III), Zur geplanten Abschwächung des Schutzes im neuen NSchG-Entwurf, Übersicht über die bereits durchgeführte und geplante Streichung von bisherigen Mitspracherechten der Natur oder die Auseinandersetzung mit den Folgen und Auswirkungen der aktuellen NSchG-Novelle auf die Naturschutzverfahren.

Mehrere Gesetzes-Entwürfe wurden von der Landesregierung seit Herbst 2023 erstellt, überarbeitet und zusammengefasst, die veröffentlichten Gesetzesentwürfe von der LUA fachlich fundiert begutachtet (https://www.lua-sbg.at/stellungnahmen/gesetze-und-verordnungen/), vom Landtag trotzdem beschlossen und inzwischen als LGBl. Nr. 85/2024 am 11.10.2024 sowie als LGBl. Nr. 121/2024 am 20.12.2024 kundgemacht. Beide Änderungen des Salzburger Naturschutzgesetzes traten damit am 01.11.2024 bzw am 01.01.2025 in Kraft.

Infolge der in Kraft getretenen partiellen Streichung von Naturschutz und von Parteistellungen der LUA hatten Behörden und Gerichte Anfang des Jahres 2025 einige anhängige Verfahren einzustellen. In einem speziellen Fall wurde die LUA während der Dauer eines Jahres vor Inkrafttreten der Novelle gar nicht (mehr) über ihre Parteistellung in einem Verfahren informiert, bis sie letztendlich wegfiel. Diese Verfahren betrafen keine alltäglichen Eingriffe in die Natur, sondern befassten sich teilweise bereits über Jahre mit Grundsatzfragen des Natur-, Landschafts- und Artenschutzes, welche nun nicht mehr verwaltungsgerichtlich oder höchstgerichtlich entschieden werden können, weshalb diese Verfahren hier kurz skizziert werden:

Fall 1: Fortschreitende Verbauung geschützter Landschaften – Vorrang für die Baulandwidmung in Landschaftsschutzgebieten

Mit Beschluss vom 07.01.2025, Zahl 405-1/1105/1/16-2024, stellte das LVwG ein Beschwerdeverfahren betreffend die Errichtung eines Einfamilienhauses im Landschaftsschutzgebiet Schafberg-Salzkammergutseen ein. Problematisch war nicht das Gebäude an sich, sondern dessen Lage auf einer Waldlichtung und die Vornahme der Umwidmung durch die Gemeinde. Bereits im Jahr 2003 hatte der Naturschutzfachdienst des Amtes der Landesregierung die geplante räumlich fortschreitende Bebauung in bis dahin noch nicht mittels Bauland besiedelte seenahe Bereiche im Zuge des Umwidmungsverfahrens negativ beurteilt und einen Widerspruch zum Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes festgestellt. Damit wurde klargestellt, dass eine tatsächliche Wohn-Bebauung im Falle einer Bauland-Widmung in dieser Sonderlage im Naturschutzverfahren als nicht bewilligungsfähig (auch nicht über Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen) beurteilt und versagt werden müsste. Die Zersiedelung durch landwirtschaftliche Bauten im gewidmeten Grünland ist ohnedies bereits privilegiert und davon nicht berührt. Die Gemeinde nahm die Umwidmung in Bauland trotzdem vor. Während im darauffolgenden Naturschutz-Verfahren erster Instanz das naturschutzfachliche Amts-Gutachten der Landesregierung ebenfalls negativ war, erteilte die BH dennoch die Bewilligung. Aufgrund der negativen Beurteilung durch den Amtssachverständigen korrigierte und versagte das Landesverwaltungsgericht Salzburg im Beschwerdeverfahren mit Erkenntnis vom 11.08.2022, Zahl 405-1/760/1/11-2022, die beantragte naturschutzbehördliche Bewilligung. Obwohl der gerichtlich bestellte Amtssachverständige für Naturschutz mehrere absolute Versagungsgründe feststellte (wesentlicher Widerspruch zur besonderen landschaftlichen Schönheit und zum besonderen Erholungswert), stützte sich das LVwG im abweisenden Erkenntnis allerdings nur auf einen einzigen Versagungsgrund, der vom VwGH im Revisionsverfahren (Ra 2022/10/0155, Erk. v. 13.06.2024) aber als nur „relativer“ Versagungsgrund erkannt wurde (Zersiedelung der Landschaft – wäre grds. ausgleichsfähig) und hob die Entscheidung des LVwG wieder auf. Das Verfahren vor dem LVwG musste daher wiederholt werden. Dazu fand am 05.12.2024 eine mündliche Verhandlung beim LVwG statt, wobei der gerichtlich bestellte Amtssachverständige für Naturschutz sein bereits bisher negatives Gutachten zu den verbliebenen absoluten Versagungsgründen beibehielt. Dennoch erteilte das LVwG dem ASV am 10.12.2024 den weiteren Auftrag, die bereits im Jahr 2022 beantragten Ausgleichsmaßnahmen fachlich auf ihre Tauglichkeit und sonstigen Voraussetzungen zu prüfen, welche ebenfalls bereits im Rahmen der mündlichen Erörterung als nicht geeignet im Zweifel standen. Zu diesem Zeitpunkt war auch die öffentliche Begutachtung der NSchG-Novelle bereits abgeschlossen, die noch am 18.12.2024 kurzfristig beschlossen wurde. Mit Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 121/2024 am 01.01.2025 entfiel die Parteistellung der LUA in Landschaftsschutzgebieten, was zur Einstellung des Verfahrens führte.

Als Konsequenz daraus bleibt, dass die Vornahme von Bebauungen auf Bauland-Widmungen in Landschaftsschutzgebieten, die durch Gemeinden trotz Kenntnis einer negativen Beurteilung seitens der Sachverständigen des Landes gewidmet werden, künftig von keiner Person oder Institution mehr bekämpft werden können, obwohl gesetzliche Bestimmungen und öffentliche Interessen des Naturschutzes entgegenstehen und bisher durch die LUA als gesetzliche Vertretung der Natur auch durchgesetzt werden konnten. Durch den Entfall der Parteistellung der LUA in Landschaftsschutzgebieten ist das Naturschutzgesetz gegenüber der Raumordnung in Landschaftsschutzgebieten aber rechtlich nicht mehr durchsetzbar geworden.

 

Fall 2: Die Raumordnung als Vehikel für die Verbauung von Grünland in Landschaftsschutzgebieten

Mit Beschluss vom 26.02.2025, Zahl 405-1/1198/1/9-2025, hat das Landesverwaltungsgericht Salzburg auch ein Beschwerdeverfahren betreffend die Errichtung eines Pferdegestüts mit Reithalle im Landschaftsschutzgebiet (LSG) Salzburg Süd infolge Wegfalls der Parteistellung der LUA in LSG-Verfahren durch die am 1.1.2025 in Kraft getretene Novelle LGBl. Nr. 121/2024 eingestellt. Ursprünglich beabsichtigte der Antragsteller die Errichtung einer Zweigstelle zum landwirtschaftlichen Hauptgut in einem anderen Bezirk. Aufgrund der dem Konstrukt der „Zweigstelle“ entgegenstehenden raumordnungsrechtlichen Vorschriften für die Errichtung von Bauten im Grünland erwarb der Antragsteller im Jahr 2016 ergänzend eine „bestehende landwirtschaftliche Hofstelle“, welche im Ortskern der gegenständlichen Gemeinde bereits als Bauland gewidmet war, aber noch über eine landwirtschaftliche Betriebsnummer verfügte, um einen Neubau in der als Grünland gewidmeten freien Landschaft außerhalb des Ortes raumordnungsrechtlich rechtfertigen zu können. Die dem angekauften Bestand zugehörigen landwirtschaftlichen Flächen im Ausmaß von rund 4,85 ha waren damals verpachtet und es bestand keine aufrechte Selbstbewirtschaftung mehr. Bei der Naturschutzbehörde beantragt wurde die Aussiedlung der Landwirtschaft aus dem Ortskern und die Neuerrichtung eines Pferdegestüts in der freien Landschaft des LSG Salzburg Süd im öffentlichen Interesse der Existenzsicherung des bestehenden Betriebs und zur Agrarstrukturverbesserung. Das ehemalige landwirtschaftliche Gut ist inzwischen aber gar nicht mehr existent und an dessen Stelle wurde bereits im Jahr 2020 ein Ärztehaus errichtet. Die BH erteilte auf Basis eines negativen, aber unvollständigen Gutachtens dennoch die naturschutzrechtliche Bewilligung. Das LVwG Salzburg hat in der Folge mit Erkenntnis vom 03.11.2022, Zahl 405-1/702/1/33-2022, die beantragte Bewilligung hingegen versagt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige für Naturschutz hatte das Vorhaben als wesentlichen Widerspruch zu den grundsätzlichen Zielsetzungen des Landschaftsschutzgebietes und damit als nicht bewilligungsfähig beurteilt (auch nicht über Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen). Das Gericht befand zusätzlich und gleich wie zuvor auch die BH, dass das öffentliche Interesse an der Errichtung des Pferdegestüts am beantragten Standort nicht nachgewiesen werden konnte, weshalb auch eine Interessenabwägung mit den Naturschutzinteressen unterbleiben konnte. Die dagegen vom Antragsteller erhobene Revision führte in der Folge zur Aufhebung der Entscheidung durch den VwGH (Erk. vom 27.11.2024, Zahl Ro 2023/10/0011), welcher befand, dass sich das LVwG mit dem geltend gemachten öffentlichen Interesse doch näher auseinandersetzen hätte müssen (Rn 40). Außerdem bemängelte der VwGH, das LVwG hätte den absoluten Versagungsgrund nicht ausreichend begründet. Während das naturschutzfachliche Gutachten eindeutig war, hatte sich das LVwG nämlich in der Wortwahl seiner Begründung der Entscheidung nicht an die strikten Formulierungen der Rechtsprechung des Höchstgerichts gehalten, sondern eigene abweichende Formulierungen verwendet, was dieser formal bemängelte (Rn 45) und die Entscheidung des LVwG aufhob. Eine daraus resultierende Wiederholung des Gerichtsverfahrens beim LVwG zur Beseitigung dieser Fehler war dann aber nicht mehr möglich, weil das Verfahren infolge der vom Landtag beschlossenen Streichung der Parteistellung der LUA in LSG-Verfahren einzustellen war. Die ursprünglich von der Bezirkshauptmannschaft erteilte mangelhafte Bewilligung wurde damit rechtskräftig.

Auch in diesem Fall bleibt als Konsequenz der Novelle, dass jegliche Bauvorhaben in Landschaftsschutzgebieten (auch im gewidmeten Grünland) künftig nicht mehr gerichtlich überprüft werden können. Als einzige Entscheidungsebene verbleiben die Naturschutzbehörden erster Instanz. Immer wieder erfolgten in der Vergangenheit deren Entscheidungen auch abweichend von den negativen naturschutzfachlichen Gutachten der Amtssachverständigen des Landes (wie auch im Fall 1). Die Feststellung absoluter Versagungsgründe in Amtsgutachten ist daher kein Garant für negative Behördenentscheidungen und für einen Schutz vor zunehmender Verbauung geschützter Landschaften. Ohne Beteiligung der LUA an LSG-Verfahren können diese Mängel zukünftig nicht mehr, auch nicht durch andere Personen oder Institutionen, beim LVwG geltend gemacht werden. Der Schutz der Landschaft vor Verbauung in besonderen Lagen ist daher in den Naturschutzverfahren rechtlich nicht mehr durchsetzbar geworden.

 

Fälle 3 und 4: Widmungen von Gewerbegebietsflächen und Wohnbauland in Mooren, Sümpfen und Feuchtlebensräumen – Gesetzesänderung zur rechtlichen Sanierung von Raumordnungsfehlern auf Kosten des Lebensraumschutzes

Die neue gesetzliche Einräumung eines Vorrangs der Raumordnung gegenüber dem Naturschutz wie im Fall 1 im LSG zeigt sich auch an anderer Stelle außerhalb von Landschaftsschutzgebieten: Bereits mit der am 01.11.2024 in Kraft getretenen Novelle LGBl. 85/2024 hat der Landtag beschlossen, dass u.a. Moore, Sümpfe, Quellfluren, Bruchwälder, fließende oder natürliche oder naturnahe stehende Gewässer einschließlich ihrer Uferbereiche und der Schilf- und Röhrichtzonen, über deren Flächen eine Gemeinde bis zum 01.01.2025 eine Baulandwidmung beschlossen hat, nicht mehr unter den Lebensraumschutz des § 24 NSchG fallen und ein Naturschutzverfahren daher nicht erforderlich ist. Bisher stellte die Vornahme einer Bebauung solcher geschützten Lebensräume idR eine Zerstörung und damit einen absoluten Versagungsgrund dar (nicht ausgleichsfähig), es sei denn es würde ein den Naturschutz überwiegendes öffentliches Interesse nachgewiesen werden können. Rechtlich unbebaubares Bauland wäre daher wieder zurückzuwidmen gewesen. Mit der Novelle wurden hingegen alle bis zum 1.1.2025 von einer Baulandwidmung betroffenen Moore, Sümpfe und Gewässer aus dem Lebensraumschutz entlassen und somit zur Bebauung und Zerstörung freigegeben, da sie keinem Naturschutzverfahren mehr unterliegen. Auch die (sofern überhaupt fachlich mögliche) Verpflanzung oder Wiederherstellung solcher Lebensräume an anderer Stelle ist ohne Naturschutzverfahren kein Thema mehr. Damit entsteht ein Totalverlust von 100% dieser Lebensräume im Bauland. Bedenkt man daneben zusätzlich noch den laufenden Biodiversitätsverlust der Lebensräume und Arten und die deshalb erforderlichen Renaturierungsverpflichtungen aus der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, dann wird es künftig noch schwieriger und teurer werden, gerade solche Flächen für eine Wiederherstellung zu finden und umzusetzen, wenn diese vorher verbaut und vernichtet werden. Moore und ähnliche Lebensräume sind überdies gar nicht wiederherstellbar: sie sind seit der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren entstanden. Torferde aus Torfmoosen mit 1 m Mächtigkeit ist über 1.000 Jahre gewachsen. Hochmoore verfügen über mehrere Meter tiefe Torfböden. Nieder- und Zwischenmoore bilden ebenfalls Torf und besondere immer seltener werdende Feuchtlebensräume.

Eben solche gemäß § 24 NSchG geschützten Gewässer, Moore, Sümpfe und Nasswiesen bestehen bzw bestanden auch im Bereich des ehemaligen Flugplatzes Zell am See, welche Anfang der 2000er Jahre als künftige Gewerbegebietsflächen in das Räumliche Entwicklungskonzept (REK) der Gemeinde Zell am See aufgenommen wurden. Dazu stellte der Naturschutzfachdienst des Landes Salzburg damals offenbar irrtümlich fest, dass keine „ökologisch wertvollen Flächen“ vorlägen. Rund 12 ha davon waren noch nicht durch Baumaßnahmen beeinträchtigt, bevor Anfang 2023 die Aufschüttung und Durchführung von Baumaßnahmen auf als Bauland gewidmeten Flächen im Ausmaß von ca 1 ha beantragt wurden. Da das Vorliegen geschützter Lebensräume offensichtlich und der Bestand geschützter Tierarten mit einiger Sicherheit zu erwarten waren, nahm die LUA die Parteistellung im Verfahren wahr und brachte in der Folge mehrmals Anzeigen bei der Naturschutzbehörde ein, weil bereits laufend Baumaßnahmen ohne naturschutzrechtliche Bewilligung durchgeführt worden waren. Die BH Zell am See stellte mit Mandatsbescheid vom 01.08.2023 sämtliche Bauarbeiten auf rd. 12 ha Fläche ein. Die geschützten Lebensräume und Arten wurden durch die Sachverständigen des Antragstellers, der Behörde und der LUA unstrittig festgestellt. Weitere Verhandlungen führten in der Folge am 11.01.2024 auf 1 ha Fläche zur Bewilligung eines Postverteilerzentrums im öffentlichen Interesse. Obwohl für die restlichen 11 ha noch immer keine Bewilligung zur Zerstörung der vorhandenen geschützten Gewässer, Moore, Sümpfe und Nasswiesen sowie Lebensstätten geschützter Tierarten vorlag, wurden dennoch einzelne Baumaßnahmen fortgesetzt und auch weiterhin im Jahr 2024 bei der Behörde angezeigt. Mit Schreiben vom 08.01.2025, sohin nach Inkrafttreten der NSchG-Novellen LGBl. Nr. 85/2024 (Beseitigung des Naturschutzes im Bauland) und LGBl. Nr. 121/2024 (Beseitigung der Parteistellung der LUA in Artenschutz-Feststellungsverfahren), stellte die BH Zell am See das Ermittlungsverfahren ein. Dies wurde damit begründet, dass auf dem bewilligten 1 ha großen Postareal keine geschützten Arten (mehr) gefunden wurden (zu den restlichen 11 ha liegt keine Aussage vor) und dass die Eingriffe in geschützte Lebensräume mangels anwendbarer Rechtslage keinem Verfahren mehr unterliegen. Diesbezügliche Wiederherstellungsverfahren seien ebenfalls einzustellen.

Gleiches gilt auch für den Bau eines Seniorenwohnhauses auf einer in geschützten Feucht-Lebensräumen gewidmeten Wohnbauland-Fläche in Bramberg. Kurz vor der Einigung über die Herstellung von Ersatzlebensräumen zog die Gemeinde das Ansuchen zurück und stellte das LVwG Salzburg das dazu anhängige Beschwerdeverfahren zur Zahl 405-1/1035/1/21-2024 am 18.10.2024 ein. Nach Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 85/2024 am 01.11.2024 war kein Naturschutzverfahren mehr erforderlich. Die geschützte Nasswiese wird daher ersatzlos zerstört.

Als Konsequenz dieser Novelle bleibt festzustellen, dass vorerst alle Baumaßnahmen auf bis zum 01.01.2025 erfolgten Baulandwidmungen in gemäß § 24 NSchG geschützten Gewässern, Mooren, Sümpfen und Nasswiesen keine Naturschutzbewilligung mehr benötigen. Die Zerstörung dieser Lebensräume bleibt folgenlos. Angesichts des Verlustes an Biodiversität und der Notwendigkeit an Renaturierungen ist die bisherige Widmungspraxis und die aktuelle Freistellung vom Naturschutz kontraproduktiv. Für jedes Bauprojekt herrscht in Österreich das Kumulationsprinzip: das Vorhaben darf erst zur Umsetzung gelangen, wenn alle Bewilligungen vorliegen. Dazu gehören neben der Baulandwidmung auch die Baubewilligung, forst- und wasserrechtliche Bewilligungen, Auflagen der WLV, uvm. und eben auch die naturschutzrechtliche Bewilligung. Bauland ist daher nur dann bebaubar, wenn alle ersichtlichen Hinderungsgründe bereits im Widmungsverfahren berücksichtigt wurden und wenn nach der Widmung auch alle erforderlichen Bewilligungen erlangt werden können. Die nunmehr vorgenommene Streichung der Naturschutz-Bewilligungspflicht für Widmungen bis zum 31.12.2024 lassen aber befürchten, dass sich manche Gemeinden auch künftig bei den Baulandwidmungen über geschützte Lebensräume hinwegsetzen werden. Warum sollte nicht auch in Zukunft der Schutz nachträglich aufgehoben werden? Gewinner davon sind Bauland-Entwickler. Verliererin ist die Gesellschaft, die den ersatzlosen Verlust an Biodiversität zugunsten Einzelner bald durch teure Renaturierungen auf erst neu zu entwickelnden Flächen aus Steuergeldern finanzieren muss.

 

Fall 5: Altwidmung in einer bewaldeten Hanglage, in einer Amphibienwanderstrecke und im Lebensraum von geschützten Reptilien – Ausschluss von LUA und NGOs vom Artenschutz

Im Jahr 2020 beantragte der Eigentümer eines Grundstücks im Bezirk Hallein die Erteilung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit zwei freistehenden Doppelgaragen auf einer bereits seit den 1990iger Jahren als Bauland gewidmeten und bisher nicht bebauten Fläche in einer bewaldeten Hanglage im Bereich einer Amphibienwanderstrecke und im Lebensraum von geschützten Reptilien. Vom Eingriff betroffen sind die Amphibien Erdkröte, Grasfrosch, Bergmolch, Laubfrosch, Feuersalamander und sogar Kammmolch, die Reptilien Schlingnatter, Äskulapnatter, Ringelnatter, Blindschleiche und allenfalls Zauneidechse, die dort ihre Paarungsstätten, Verstecke und Überwinterungsstätten haben. Zu beurteilen war also, ob die artenschutzrechtlichen Verbote der Tötung, der Störung (der Fortpflanzungsbedingungen) insbesondere jeweils von EU-geschützten Arten oder die Beschädigung bzw Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten solcher Tierarten durch die Bebauung der Fläche verletzt würden. Gegen die von der Naturschutzbehörde erteilte Bewilligung erhob die LUA am 17.01.2023 Beschwerde an das LVwG Salzburg. Das LVwG stellte im Verfahren aus rechtlicher Sicht fest, dass die erteilte naturschutzrechtliche Bewilligung im Sinne einer Ausnahmebewilligung nicht möglich war, weil kein zulässiger Ausnahmezweck vorlag. Wegen Aussichtslosigkeit im Gerichtsverfahren zog der Eigentümer seinen Antrag zurück. Mit Beschluss vom 20.06.2023, Zahl 405-1/862/1/23-2023, hob das Landesverwaltungsgericht Salzburg sodann den Bewilligungsbescheid vom 19.12.2022 wegen Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags auf.

Im Jänner 2025 kontaktierte der Naturschutzbund Salzburg über Empfehlung der Naturschutzbehörde die LUA und ersuchte um Akteneinsicht. Erst jetzt stellte sich heraus, dass nach der Zurückziehung des Antrags und nach Aufhebung des Bescheids im Juni 2023 durch das LVwG am 19.12.2023 ein neuerlicher Antrag auf Durchführung eines Naturschutzverfahrens zur Feststellung der Artenschutzverbote gestellt wurde, der von der Behörde mit Bescheid vom 15.01.2025 wieder positiv iSd Antragstellers erledigt wurde. Dieser Bescheid wurde sodann dem Naturschutzbund Salzburg als Aarhus-Partei übermittelt, der mit dieser Sache überhaupt erstmals inhaltlich in Kontakt gelangte. Obwohl die Parteistellung der LUA durch die Novelle LGBl. Nr. 121/2024 erst mit 01.01.2025 gestrichen wurde, hatte es die Behörde verabsäumt die LUA als Verfahrenspartei während des im gesamten Jahr 2024 laufenden neuerlichen Artenschutzverfahrens beizuziehen und ihr das damals noch gesetzlich zustehende Parteiengehör zu gewähren. Der Bescheid vom 15.01.2025 wiederum wurde wenige Tage nach Inkrafttreten der Novelle und Streichung der LUA-Parteistellung erlassen. Nach Abgleich der Informationen aus dem alten und dem neuen Naturschutzverfahren durch den Naturschutzbund stellte sich heraus, dass der artenschutzfachliche Teil der Einreichunterlagen weitestgehend inhaltsgleich in das neuerliche Verfahren übernommen wurde und die Beurteilungsgrundlagen für das neuerliche Feststellungsverfahren unverändert geblieben sind. Es hätten daher – so wie zuvor im Verfahren beim LVwG – erneut artenschutzrechtliche Verbote festgestellt werden müssen, ebenso wie das Nichtvorliegen eines allfälligen Ausnahmegrundes. Dennoch stellte die Naturschutzbehörde keine Verbote fest und gab dem Eigentümer den Weg für eine Bebauung frei. Nach Wegfall der Parteistellung der LUA erhob der Naturschutzbund Salzburg als letzte im Gesetz verbliebene Partei gegen diesen Bescheid Beschwerde an das LVwG Salzburg. Zuletzt teilte der Naturschutzbund mit, dass seine Beschwerde mit Beschluss des LVwG vom 24.03.2025, Zahl 405-1/1244/1/5-2025, als unzulässig zurückgewiesen wurde, weil mit der Novelle LGBl. Nr. 121/2024 mit Wirksamkeit vom 01.01.2025 – bisher unbemerkt – auch das nach der Aarhus-Konvention europarechtlich gesicherte Beschwerderecht für NGOs in Artenschutzverfahren aufgrund eines redaktionellen Versehens gestrichen wurde. Anstatt die europarechtliche Verpflichtung wahrzunehmen und der Rechtsprechung des EuGH und VwGH folgend das europarechtswidrige Salzburger Naturschutzgesetz in diesem Punkt „unangewendet“ zu lassen, hat das LVwG unter Außerachtlassung von Europarecht rein landesrechtlich und formalistisch entschieden und das Beschwerderecht der NGO aberkannt, ohne dieser zuvor noch eine Gelegenheit zur Äußerung dazu zu geben.

In weiterer Konsequenz bedeutet dies, dass der LUA die im Jahr 2024 noch gesetzlich zustehende Parteistellung ein ganzes Jahr lang von der Naturschutzbehörde vorenthalten wurde und dass nach Wegfall der Parteistellung in solchen Artenschutz-Feststellungsverfahren die Behörde bei gleicher Sachlage neuerlich zugunsten des Antragstellers entschieden hat, obwohl sich keine Änderung zum vorherigen LVwG-Verfahren aus dem Jahr 2023 ergeben hat. Umso schwerwiegender ist daher auch die aktuelle Entscheidung des LVwG Salzburg im Frühling 2025 zu werten, wonach aufgrund der NSchG- Novelle LGBl. Nr. 121/2024 nun nicht einmal mehr die nach der Aarhus-Konvention berechtigten Naturschutzorganisationen ihr europarechtlich zugesichertes Beschwerderecht ausüben durften. Seit 01.01.2025 durfte sich daher im Bundesland Salzburg keine einzige Institution mehr an Artenschutz-Feststellungsverfahren beteiligen bzw Beschwerde erheben. Die Reparatur des redaktionellen Fehlers, der sich durch die Nichtanpassung eines Verweises ergeben hatte, wurde am 04.06.2025 beschlossen und tritt mit 01.07.2025 in Kraft (LGBl. Nr. 53/2025). Im gegenständlichen Fall ist allerdings die Entscheidung des VwGH abzuwarten.

Die Streichung der Parteistellung der LUA wiegt aber hier weiterhin umso schwerer, als sie bisher fast ausschließlich und alleine als Verfahrenspartei die Agenden des Artenschutzes wahrgenommen hatte, weil den NGOs in Österreich dazu die Ressourcen fehlen und das Vertrauen in die LUA hoch ist. Auch infolge rechtlicher Sanierung des NGO-Beschwerderechts wird sich die Teilnahmemöglichkeit von NGOs an Artenschutzverfahren daher nicht wesentlich verbessern, obwohl die Verfahren gezeigt haben, dass hier besonderer Handlungsbedarf bestünde. Ohne fortschreitende Professionalisierung im Umgang mit geschützten Arten, wird der fortschreitende Biodiversitätsverlust nicht aufgehalten werden können.

Fazit:

Unsere Gesellschaft ist abhängig von einer Vielzahl an Ressourcen und überschreitet für ihre Gewinnung tagtäglich sichtbare und unsichtbare natürliche Grenzen, die unsere Umwelt und Natur maßgeblich belasten. Die Wissenschafter, die sich als Experten mit diesen Grenzen beschäftigen und die auch die Auswirkungen unseres Handelns auf die Umwelt, aber auch die Rückwirkungen auf den Menschen selbst erkennen und benennen können, werden immer ungeduldiger, weil weiterhin wirksame Maßnahmen für Arten-, Biodiversitäts- und Klimaschutz fehlen. Die Streichung der Beteiligung der LUA an Artenschutzverfahren sowie der Möglickeit Grundsatzfragen des Naturschutzes gerichtlich klären zu lassen, fördert nur längst überholte Verhaltensmuster, bringt uns aber bei der Sicherung unserer Lebensgrundlagen nicht weiter. (mp)

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