Forstgesetz-Novelle: Anregungen der Landesumweltanwaltschaften

 Markus Pointinger  |  

Gemeinsame Stellungnahme aller LUAs zur Erforderlichkeit einer weitergehenden Änderung des ForstG zur Berücksichtigung von Unions-Naturschutzrecht und zur Baumhaftung

Betrifft: Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert wird – Begutachtungsverfahren; Geschäftszahl: 2020-0.317.300

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit diesem Schreiben nehmen die Umweltanwaltschaften sämtlicher Bundesländer zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert werden soll, binnen offener Frist wie folgt Stellung:

Grundsätzliches:

Der gegenständliche Begutachtungsentwurf umfasst einerseits eine Änderung der Bestimmungen zur Forstfachschule (§§ 117 ff ForstG 1975) und sieht andererseits eine Verordnungsermächtigung vor, womit eine zeitlich befristete Verpflichtung holzverarbeitender Betriebe zur vorrangigen Abnahme von Schadholz aus der sie umgebenden Region per Verordnung ermöglicht werden soll. Die Verordnungsermächtigung wird begrüßt, weil sie die Möglichkeit schaffen wird, die Symptome der voranschreitenden Klimakrise in Gestalt der Borkenkäferproblematik zu bekämpfen. Dies hilft den heimischen Forstbetrieben. Damit kann jedoch kein Beitrag geleistet werden, um die Problematik „an der Wurzel zu packen“. Dafür  wären eine massive Änderung der vorherrschenden Aufforstungspraxis (Mischwald statt Fichtenmonokultur), wirksame Maßnahmen gegen Wildschäden, etc. erforderlich. Auch müsste die verfehlte Subventionierung von Fichtenaufforstungen als umweltkontraproduktive Förderung umgehend eingestellt werden.

Die Umweltanwaltschaften Österreichs sehen die vorgelegte Novelle als weitere vertane Chance an, das Forstgesetz dergestalt zu novellieren, dass den Erfordernissen der Klimakrise sowie der Biodiversität Rechnung getragen wird. Nachstehend werden zwei wesentliche Punkte einer diesbezüglich notwendigen Forstgesetz-Novelle skizziert:


A) Rücksichtnahme des Forstgesetzes auf die Kompetenzen des B-VG hinsichtlich Naturschutz:

Eingangs ist festzuhalten, dass gemäß den Kompetenzartikeln unserer Bundesverfassung keine eigenständige Bundeskompetenz für die Umsetzung von FFH- und Vogelschutz-Richtlinie besteht. Diese Kompetenz steht den Bundesländern zu. Allerdings muss aus unserer Sicht so rasch wie möglich eine Anpassung von § 32a ForstG dahingehend erfolgen, dass das Forstgesetz auf die Kompetenzen hinsichtlich Naturschutz (Länderkompetenz) Rücksicht nehmen muss. Es geht also nicht um die kompetenzrechtliche Umsetzung von Unionsrecht im Forstgesetz, denn diese Umsetzung ist Ländersache. Aber wir fordern – mit der einschlägigen Judikatur – zwingend die Freigabe des Vollzugs von Unionsrecht dort, wo das ForstG entgegensteht und damit eine Klarstellung der Naturschutzkompetenz auch für FFH-Waldlebensraumtypen sowie für geschützte Arten nach der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie. Es besteht also eindeutig eine Pflicht zur Berücksichtigung von FFH- und VS-Richtlinie, dies gilt auch für das Forstverfahren!

B) Baumhaftung – Novellierung von § 176 ForstG:

Bezüglich der Haftung für durch Bäume verursachte Schäden kommt es aufgrund widersprüchlicher Judikatur auf Basis der geltenden Rechtsnormen zu großen Rechtsunsicherheiten und hohen Kosten auch hinsichtlich der Überprüfungsmaßnahmen. In weiterer Folge kommt es zunehmend zu vorsorglichem Fällen und Zurückschneiden von Bäumen, um Gefahren für Dritte sowie Haftungsfälle zu reduzieren. Diese vorsorglichen Eingriffe in Baumorganismen haben negative Auswirkungen auf die Funktionen des einzelnen Baumes bzw. der Wälder und stehen den Interessen an vitalen, natürlichen Baumbeständen sowie der Erhaltung alter Bäume entgegen.

Bäume werden widersinnig rechtlich wie „Bauwerke“ behandelt und derart die Haftungsregeln für Bauwerke des ABGB herangezogen. Hieraus folgt eine Beweislastumkehr zu Lasten der Liegenschaftseigentümer*innen. Diese müssen nachweisen, dass ihrerseits alles Vorstellbare zur Abwendung der Gefahr durch Bäume unternommen wurde. Die Gesetzgeber anderer europäischer Länder, etwa in Deutschland und Großbritannien, haben demgegenüber bereits normiert, dass für „waldtypische Gefahren“ keine Haftung besteht.

Die faktischen Auswirkungen der bestehenden Situation sind jedenfalls massiv, gerade aufgrund der risikobedingten Entfernung großer und zumeist alter Bäume: Die Abkühlung durch Verdunstung, die Schattenwirkung, die Verminderung von Staub, der Verlust der Erholungswirkung, aber auch wesentliche Naturschutzaspekte gehen unwiederbringlich verloren bzw. treten völlig in den Hintergrund. Als Beispiel zur Verdeutlichung ist darauf hinzuweisen, dass es 2.000 junge Buchen
benötigt, um die Klimawirksamkeit einer einzigen 80-jährigen Buche auszugleichen.

Der nicht zufriedenstellenden bestehenden Rechtslage ließe sich durch folgende beispielhaft angeführte Änderung, insbesondere jedoch im ABGB, Forst- und Wasserrechtsgesetz, entgegenwirken:

  • In § 1319 ABGB (Bauwerkehaftung) sollte ausdrücklich angeführt werden, dass eine Pflanze, insbesondere ein Baum, kein Werk im Sinne dieser Bestimmung ist.
  • In § 1319a ABGB (Wegehalterhaftung) sollte eine Bestimmung dahingehend aufgenommen werden, dass für Baumgefahren von fremden Grundstücken der Sorgfaltsmaßstab mit der Maßgabe des § 1319b ABGB (vgl. nächster Punkt) Anwendung finden soll, sofern sich aus öffentlich-rechtlichen Bestimmungen keine spezielleren Regelungen ergeben.
  • Es sollte eine eigene Bestimmung – etwa § 1319b ABGB – geschaffen werden, welche die Verkehrssicherungspflichten klar und berechenbar festlegt. Bei der Gefahrenbeseitigung sollten die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu beachten sein. Bei einem gebotenen Rückschnitt sollte tunlichst die Baumsubstanz gewahrt werden.
  • Im Forstgesetz 1975 sollte, korrespondierend zum Grundsatz der „Waldfreiheit“, das Prinzip der Eigenverantwortung im Schadensfalle zur Anwendung kommen. Gleiches sollte im Wasserrechtsgesetz 1959 für das öffentliche Wassergut gelten. Weiters sollte festgelegt werden, dass bundes- und landesrechtliche Regelungen über den Schutz von und vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere für den Wald-, Flur, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz unberührt bleiben.

Für eine ausführliche Erörterung der umweltrechtlichen Haftungsfragen verweisen wir zusätzlich auf die Projektstudie „Umweltrechtliche Haftungsfragen“ des Instituts für Umweltrecht an der JKU Universität Linz (Mai 2016). Zu den Auswirkungen der derzeitigen Situation wird auf die – von einigen Umweltanwaltschaften mitfinanzierte – Studie des UBA mit dem Titel „Baumhaftung – Baumsicherung und deren ökologische Wirkungen“ (November 2019) hingewiesen.

 

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